Oberbessenbach: W. Rudolph, Giessen, Bj. ca. 1905
Das Instrument sollte in gutem Zustand Teil eines Heimatmuseums werden, da es früher seinen Dienst in Kindergarten und Schule verrichtete.
Der Balg musste schon mindestens 2 Überarbeitung erfahren haben, da die Bespannung aus 3 Lagen bestand (immer wieder darüber geleimt).
Zunächst stand das Gehäuse zur Reinigung an. Es ist zwar ein rel. kleines Instrument, trotzdem hat es viele Teile.
Zuerst die gute Nachricht - der Grauschleier auf dem gesamten Instrument ließ sich rel. einfach abwischen.
Nun wurde erst einmal der grobe Schmutz vom Instrument entfernt. Im nächsten Schritt werden die Lackflächen gereinigt und entschieden, welche erhalten bleibt und welche erneuert werden muss. Die Sockelleiste muss z.B. sicher neu lackiert werden.
Am gesamten Gehäuse konnte man erkennen, dass das Instrument ein sehr bewegtes Leben hinter sich hat.
Die gebrochene Diskantseite, musste auch schon mehrfache Reparaturversuche über sich ergehen lassen.
Zur Lackreinigung wurde hier Isopropanol verwendet. Im Bild sieht man den Gehäusedeckel mit seinen starken schwarzen Rändern.
Isopropanol ist ein synthetischer Alkohol, welcher Schmutz und Fett löst, den Schellack aber "in Ruhe" lässt. Ausreichende Belüftung und Handschuhe sind hier (wie beim Spiritus) oberstes Gebot.
Auch die über Jahrzehnte entstandenen schwarzen Ablagerungen in den Profilen, bekommt man hiermit relativ gut in den Griff (li vorher / re nachher).
Zwischendurch wurden immer wieder Reparaturen durchgeführt, wie hier das Verleimen der gebrochenen Gehäusewange.
Hier liegt die vordere Sockelleiste, welche im sichtbaren Bereich weder Oberfläche noch Farbe zeigt.
An den seitlichen Sockelteilen hatte sich so wenig Oberfläche erhalten, dass diese komplett abgeschliffen werden musste.
Das Sammelsurium an nachzubeizenden Teilen, war trotz der geringen Instrumentengröße recht beachtlich.
Da die Beize abgewetzte und helle Stellen abdunkeln soll, belässt man sie ein wenig auf der Fläche, bevor der Überschuss abgenommen wird.
Nachdem die Teile 2- bis 3-mal abgerieben wurden, ließ sich das spätere Ergebnis schon erahnen. Noch fehlte die abschließende Oberflächenbehandlung.
Hier sieht man noch einmal zum Vergleich (siehe erstes und zweites Foto) die rechte Ecke des Gehäusedeckels, nach der Reinigung, dem Beizen und Ölen.
Zwischendurch lief die Reinigung der Eisenteile. Auch hier ist Glanz das Ziel, bzw. der angenehme Nebeneffekt.
Die Schwierigkeit beim Zusammensetzen eines alten Gehäuses ist nicht, dass alles gerade, senkrecht und rechtwinklig ist, ...
... sondern dass alle anderen Anbauteile (Klappen, Deckel, Blenden etc.) wieder so passen wie vorher.
Das Linoleum auf den Tritten war hart wie Stein, deshalb hat es sich auch so gut gehalten. Es ist der Erstbelag!
Hier sieht man einen der Gründe für die Geräusche. Beim Verleimen hatte sich eine Kartonfalte gelöst und immer über das Holz geschabt.
Die Stege zwischen den Ventilschlitzen wurden mit dem Stimmstock verschraubt. Folge: rostige Schrauben durch das Ventilleder (Gerbsäure) / angegriffene Ventilleder durch rostige Schrauben.
Da der Windkasten schon mehrfach repariert wurde und sich eine leichte Wölbung der Ventildecke abzeichnet, wurden alle Einbauten entfernt.
Vermutlich durch einen Wasserschaden, waren viel Tastenbeläge aufgequollen und mussten abgenommen werden.
Da die Zelluloid-Beläge schon sehr dünn waren, wurden Sie mit großer Vorsicht und lauwarmem Wasser abgelöst.
Als erstes ging es an die Scharnierung der beweglichen Platten. Wie beim Original, wurden die Scharniere aus Leinen, Balgtuch und Schafleder hergestellt.
Nach den Reparaturen wurde der Schellack aufgefrischt, neue Zungefilze eingeleimt und die sauberen Zungen eingeschoben.
Beim Einsetzen der Ventile stellte ich fest, dass eine der beiden Ventilbremsen fehlte. Diese wurde neu angefertigt (links).
Es folgte die Überarbeitung und Montage der Mutzen, der Registermechanik, der Schallklappen und der Stecher.
Beim Ablösen der Beläge wurden auch die Garnierungen in Mitleidenschaft gezogen und mussten erneuert werden.
Endlich hatte man auch wieder 6 gleiche Manubrien (Knöpfe) nebst Beschriftung. Der Ersatzteilkeller macht's möglich ...
Nun erstrahlt es wieder in altem Glanz. Am herausfordernsten waren hier das Gehäuse mit seiner sehr schlechten und verschmutzen Oberfläche und die Klaviatur mit ihrem "reparierten" Wasserschaden.
Trotz seiner "nur" zwei Spiele, verströhmt das Instrument einen klaren und kräftigen Klang. Es macht wieder Freude darauf zu spielen!
Erbauer: W. Rudolph, Giessen (Händler), Bj. ca. 1905
System: Saugwind, Klaviatur: F1 - f''', Teilung e°/f°
Disposition: Violina 4 ft, Diapason 8 ft, Forte I
Forte II, Melodia 8 ft, Flute 4 ft
Kniehebel: Grand Jeu, Forte
Stimmtonhöhe: 438,5 Hz







































































