Haar: Lindholm Kunstharmonium, Bj. 1925
Ende Februar ging es auch beim Lindholm wieder weiter. Zuletzt war ich ja mit der Reparatur der Kanzellen beschäftigt, dies wurde nun fortgesetzt.
Hier sieht man den Trennschied zwischen Bass und Diskant. Er wurde schon so oft angepasst, repariert und wieder beschädigt, dass ich ihn vermutlich erneuern muss.
Hier sind die Kanzellernreparaturen fast abgeschlossen. Fertige Spiele wurden -als Vorbereitung für die Lackierung- schon abgeklebt.
Die Reinigung der Ventile brachte zutage, dass diese bis auf wenige Ausnahmen in gutem Zustand sind.
Bei den Koppelwippen (vorderes zu hinterem Ventil) gibt es allerdings eine stattliche Anzahl von verzogenen Teilen.
Nun ging es mit dem Lackieren der Lade los. In mehreren Schichten wurde blonder Schellack aufgetragen, dazwischen immer wieder ein Schleifdurchgang.
Da der Schellack immer einen Tag zum Durchtrocken braucht, wurden in der Zwischenzeit die Mutzen (Registerklappen) von allen Anbauten befreit.
Stellvertretend für die unzähligen zu reinigenden Kleinteile an den Mutzen, liegen hier die (noch) verrosteten Mutzenfedern.
Nach dem letzten von 5 Lackierdurchgängen, sah die Lade wieder aus wie neu. Durch den Lack wird die Oberfläche wieder geschlossen und gut geschützt. Hier liegen schon die frisch zugeschnittenen Zungenfilze bereit.
Die insgesamt 49 Mutzenscharniere durchliefen das Ultraschallbad und drehten 24 Stunden in der Poliertrommel. Nun waren sie wieder schön leichtgängig und blitzsauber.
Als nächstes kümmerte ich mich um die 73 Stecher. Der Filz der Koppelringe war zerschlissen und musste ausgetauscht werden.
Die Tasten-/Wellenauflagen aus Tuch, waren größtenteils noch in sehr gutem Zustand. Hier ist alles schon fertig.
Zuerst kamen die Ventile der hinteren Spiel zurück. Beim Ausbau hatte ich den geringen Gang der Ventile bemerkt, dieser wurde nun durch die Unterlage dünner Tuchscheiben erhöht.
Hier läuft gerade der Einbau der hinteren Ventilfedern. Ursprünglich waren diese auf 150g eingestellt, ich bin optimistisch und fange mit 125g an - mal sehen.
Nun ging es mit der Überarbeitung der "unteren" Registermechanik los. Die Teile wurden gereinigt, Achsungen und Befilzungen erneuert.
Wie schon beschrieben, war der Trennsteg zwischen Bass- und Diskanthälfte marode und musste neu angefertigt werden.
Nach ein paar Versuchen, passten die Teile perfekt. Künftig ist der Trennsteg auch (wieder) entnehmbar, was die Wartung erleichtert.
Nun konnten die Abdeckungen der vorderen Spiele, sowie die "Quartkoppel" montiert werden. Diese mechanische Umlenkung ist nötig, da für die Umschaltung des Teilungspunktes mittig 5 zusätzliche Zungen (c' - e') eingefügt wurden.
Die "Quartkoppel" war in einem sehr guten Zustand, was man von der Oktavkoppel (diesmal eine echte) nicht behaupten konnte.
Vermutlich durch tierische Überreste, war alles extrem verrostet, angegriffen und vermoddert. Die meisten Wellen ließen sich kaum bewegen
Nach der Reinigung und dem Entfernen aller Filzlager, wurden schlechte Lagerkapseln gegen neue getauscht.
Nach fast drei Tagen Arbeit, war die Oktavkoppel wieder in einem ansehnlichen und vorallem funktionsfähigen Zustand.
Die Waag- und Führungsstifte wurden alle gezogen und aufpoliert. Hier bin ich schon wieder bei der Montage.
Anschließend konnte der gereinigte Klaviaturrahmen, bestückt mit blitzblanken Stiften, wieder auf die Klaviaturträger gesetzt werden.
Nun ging es mit dem Zerlegen und Reinigen der Klaviatur los. Stellschrauben, Hebel, Koppelpüppchen - alles wurde abgebaut.
Die auf den ersten Blick "noch guten" Tuchauflagen der Diskanthebel, erwiesen sich bei genauer Betrachtung als "durch".
Hier sieht man das teilweise schon neue Tuch an den Stecherauflagen der Basstasten (mit Prolongement).
Die fertigen Basstasten. Beim Eindrehen der Koppelpüppchen wird ein Tropfen Öl an den gereinigen Gewindedraht gegeben, damit das Püppchen gut regulierbar bleibt.
Das gilt auch für die Regulierschrauben der Diskanttasten, denn nur Schrauben die sich drehen lassen und nicht festgerostet sind, dienen der Regulierung.
Der Bezug der Diskanthebel erfolgte in 3 Schritten. Erst das neue Tuch an der Auflage anleimen, dann über die Kuppe leimen und klemmen (im Hintergrund), zum Schluss verputzen.
So sahen die Diskanttasten nun auf ihrer Unterseite aus. Alle Diskanttasten sind für maximale Gewichtsreduktion im vorderen Bereich "ausgehöhlt". Das scheint aber keine Originalmaßnahme zu sein.
Nach dem Einbau und groben Ausrichten der Tasten, sieht die Klaviatur schon ganz manierlich aus. Die exakte Regulierung folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
Hier sieht man die Schaltung des "Forte expressiv". Außen-(li) und Innenventil (im Windkasten) sind über einen Stecher gekoppelt. Außenventil offen = Forte lässt sich frei bewegen, Innventil offen = Forte wird über den Unterdruck gesteuert.
So sieht die Sache nun von vorne aus. Jede Stange, jede Führung, jede Umlenkung hat ihren Sinn und muss leichtgängig sein, sonst läuft hier garnichts.
Da die Tasten recht lang sind und die hinteren Spiele des vorderen Stimmstockes weit überdecken, wird die Stimmung verm. eine Herausforderung.
Klaviaturbacken und Registerblende hatten eine noch fast einwandfreie Oberläche, nur die Klaviaturabdeckung (Bild) zeigte eine deutliche Krakelierung.
Zwischendurch kümmerte ich mich um die Klaviatur. Zur Vergrößerung der Obertastenabstände, mussten einige Tasten seitlich abgeschliffen werden.
Nach der Politur und dem Nachschwärzen der Seitenflächen (unter dem Belag), fällt der Eingriff aber kaum auf.
Nun traf auch der bestellte Teppich für die Tritte ein. Grün, da er zu den originalen Kniehebelpolstern passen sollte.
Da der Teppich und die Kniehebel schon grün sind, wird das Interieur auch auf "grün" umgestellt. Hier bin ich beim Einleimen der neuen Filzführungen.
Lindholm - für die Ewigkeit gebaut - daher auch nicht zerlegbar. Die Hebel der Backenregister mussten für den Ausbau (wieder) zerstört werden.
Da ich so etwas immer schade finde, wurde die Teile so modifiziert, dass sie künftig demontierbar sind.
Da mit der Registermechanik auch die Expression komplettiert wurde, konnte nun auch der Balg verschlossen werden.
Erst jetzt fiel mir auf, dass der Diskantbalg ewas kleiner als der Bassbalg ist, da er sonst am Gehäuse streifen würde. Eigentlich schon kurios, bei einem Instrument mit solchen Ausmaßen.
Nachdem die Scharnierung erneuert und die neue Bespannung aufgeleimt war, ging es für ein paar Tage in die "Presse".
Der Einbau ging dann schnell von der Hand, zwei Riegel nebst Schrauben halten den Balg an seinem Platz.
Nun wurde es wieder spannend, denn der Fortekasten wurde aufgesetzt. Erst jetzt stellte sich heraus, wie der neue Trennschied (darunter) zum Altteil passen würde.
!!! PERFEKT !!! Der Übergang von Neu auf Alt ist kaum spürbar. Nun bin ich mir auch sicher, dass der Anschluss an die Rückwand problemso funktioniert.
Über eine kleine aber feine Mechanik, sind hier je drei Klappen miteinander verbunden. Auf die Wirkung bin ich schon gespannt, denn anders als beim Druckwindharmonium, sind die Klappen hier sehr massiv.
Der Filz auf den Klappen schien mir neu und sehr hart, daher entschied ich mich ihn abzulösen. Auf der zum Vorschein kommenden Leimschicht, konnte man noch Spuren des alten Filzes (rot) erkennen!
Frisch befilzt und montiert, wurde die Dämpfung auf das Werk gesetzt. Noch fehlt die Mechanik der Klappen.
Hier sieht man, wie sich die Klappen in den Fortekasten öffnen, welcher später vom Gehäuse geschlossen wird.
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Aber alle Ehrfurcht half nichts, jetzt ging es ans Zerlegen, denn die Registermechanik musste justiert werden. Stellvertretend für 1000 Handgriffe, sieht man hier eine Stelle, an der die Mutze mit einem lauten "Klack!" aufschlug (im Loch).
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Im Bass waren dann wieder die üblichen Papierscheibchen gefragt, um die Tasten alle auf eine gleich Höhe zu bringen.
Hier sieht man die Tastenauflage der "Scala"-Schaltung (verschiebbare Teilung). Zwar sind die einzelnen Positionen gut regulierbar, weichen sie aber derart voneinander ab, verhakt sich an dieser Stelle die Schaltung.
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Nach dem Herstellen der gleichmäßigen Tatsenoberfläche, konnte nun auch das Prolongement justiert werden.
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Die Registermutzen waren dicht, die Tasten lagen gerade, nun kümmerte ich mich um die doch zahlreich vorhandenen Ventilheuler.
Im Bass verlief die Sache noch relativ human, hier lag das Hauptproblem an verhärteten Filzpolstern zwischen Hebel und Venilträger.
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Im Diskant sah die Sache anders aus. Nach einem Vormittag nahezu erfolgloser "Rumprobiererei", stand fest, dass alle hinteren Ventile nocheimal ausgebaut werden mussten.
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Der Verdacht, dass das Ventilbrett nicht eben ist, sollte sich beim Begradigen bestätigen (siehe dunkle Stellen).
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Nachdem die Ventilstifte wieder gesetzt und ausgerichtet waren, konnten die Ventile wieder Einzug halten. Bis auf wenige Ausnahmen war nun alles dicht.
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Die Doppelexpression funktionierte einwandfrei, aber dennoch hatte ich irgendwo einen "Fehlwind" im Instrument.
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Die Suche nach dem Leck lief auf Hochtouren. "Leck" ist eigentlich zu viel gesagt, es war nur ein leises "ffft...".
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Als Ursache konnte ich schließlich eine der 4 Schöpferecken ausmachen, daher wurden alle Lederecken erneuert.!
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Nun konnte die Fundamentbretter wieder eingesetzt werden. Hier sieht man das untere Brett mit den Expressionsventilen.
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Als erstes wurden alle Stecher noch einmal mit Graphit überzogen, da Reibungen spürbar und Geräusche hörbar waren.
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Die Konstruktion ist zwar geschickt, verursacht jedoch durch unterschiedliche Zirkelbewegungen viel Reibung.
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In den beiden Bildern kann man gut erkennen, wie das Auflager der Taste beim Niederdrücken über die Koppelmechanik schleift. Das Polieren brachte hier eine deutliche Verbesserung.
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Da nun mechanisch alles gut lief, ging ich an die Stimmung. 438 Hz bei -70mmWS in mittlerer Balgstellung. Das ist für ein Saugwindharmonium schon ein ordentlicher Unterdruck.
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Tief unter der Klaviatur versteckte sich der Bourdon 16'. Hier ein Blick auf die große Oktave C - H, welche über eine breitere Mensur verfügt.
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Im Diskant sah es nicht besser aus. Erst nachdem die Registermechanik großzügig entfernt wurde, waren (von oben nach unten) 32', 16' und 4' erreichbar.
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Richtig übel wurde es aber mit der Oboe 16' (Mutze bei den Registerumlenkungen). Diese Zungen sind nach vorne auszuziehen und in diesem Zustand unerreichbar.
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Also musste wieder großzügig die Registermechanik, diesmal mit Mutze, ausgebaut werden. Nur so war von oben mit einem Schraubenzieher das Ausziehen der Zungen möglich.
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Die restlichen Diskantspiele (vonu) 16' Schwebung, 8' und 8' Schwebung, waren dagegen recht erhohlsam.
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Auch die restliche Bassspiele waren komfortabel erreichbar. Hier sieht man die letzte zu stimmende Zunge - Aeolsharfe 2', e'. Somit war die Hauptstimmarbeit nun erledigt!
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Die zweigeteilte Rückwand hielt auch gleich eine Überraschung parat. Sie war ursprünglich "eingefälzt" geplant/gebaut, was dann aber rückgängig gemacht wurde, da der Resonanzaufbau des Werkes im Weg war.
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Die originalen Ausschnitte in der Blende (siehe Foto vorher) wurden soweit notwendig erweitert, schon konnte auf den Filz verzichtet werden.
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Da am Grundgehäuse einiges geändert wurde, war schon spannend, ob alles wieder passen würde wie es soll - es tat es.
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Sehr spannend ist auch die klangliche Entwicklung. Ohne Stimmung - diffus, wenig klar, kaum tragend. Mit Stimmung - deutlich harmonischer, charakteristischer, tragender. Mit Gehäuse - schön zeichnend, rund ... Nun bin ich schon auf die Schwellwirkung der Klappen gespannt.
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Los ging es mit dem Befilzen der Resonanzkästen, welche mittels Filz dicht zum Gehäuse abschließen (im Bild: Resonanzkasten Diskant zur Rückwand, Klappe unten = Diskantdämpfung).
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Auch nach vorne sind die Spiele "hermetisch" gekapselt, allerdings spricht hier nur Diapason/Melodia aus.
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Alle Klappen erhielten neue Lederbänder als Anschlag. Links sieht man die Front-, rechts die Oberklappen (jeweils paarweise). Mehr Schallöffnungen gibt es nicht.
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Auch die Oberklappen werden so zurückgestellt. Damit das alles ordnungsgmäß funktioniert, muss es sehr leicht laufen.
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Mit der Reinigung und dem Einbau der Vox humana, wurde das letzte Stück des Instrumentes bearbeitet.
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Dann wurde alles nocheinmal zerlegt, Tasten und Koppeln nachreguliert und die Stimmung kontrolliert.
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So sieht es bei geöffneter Rückwand aus. Will man an die Ventile gelangen, sind ca. 20 Min. Schraubarbeit und etwas Vorkenntnis nötig.
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Zum Schluss musste noch ein Transportwagen angefertigt werden, welcher in der Regel unter dem Instrument verbleiben soll.
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Dank der durchgeführten Gehäuserestaurierung ist das Instrument heute so stabil, dass ich es mit meinem Aufzug anheben konnte.
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Durch passende "Schienen" wird das Instrument verrutschsicher auf der Platte gehalten und kann dennoch abgenommen werden.
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Nach ca. 330 Arbeitsstunden sind die Arbeiten an diesem Instrument nun abgeschlossen. Es war eine Herausforderung, da die technische Konstruktion sehr komplex ist und am Rande des Machbaren arbeitet. Andererseits überzeugt z.B. die Doppelexpression mit ihren wunderbaren Einsatzmöglichkeiten.
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Der Klang: Wer hier ein fulminantes Kathedralinstrument erwartet, wird enttäuscht. Trotz der vielen Zungen, welche mit hohem Unterdruck arbeiten, ist der Klang durch die konsequente Schallkapselung auch im GJ mit offenem Forte eher zurückhaltend. Dafür geht er weit ins ppp und kann hier viel feiner nunanciert werden. Unterstützt durch die fein differenzierten Einzelstimmen, ist dies ein perfektes Instrument für den Musiksalon.
Erbauer: Lindhom, Borna, Bj. 1925
System: Saugwind, Klaviatur: F1 - c'''', Teilung h°/c' + e'/f', Stimmung 438 Hz
Disposition: Forte expressiv Bass, Prolongment, F Bassforte, Bass-Dämpfung, 8 Aeoline 8', 7 Subbass 16', 5 Aeolsharfe 2', 5p Cornett Echo 2', 4 Gamba 8', 3 Viola 4', 3p Viola dolce 4', 2 Bourdon 16', 1 Diapason 8', 1p Hornecho 8'
S Skala (Teilung h°/c' oder e'/f'), OK Oktavkoppel, Vox Humana
1p Flauto dolce 8', 1 Melodia 8', 2 Clarinette 16', 3 Flöte 4', 4 Salicional 8', 5 Oboe 16', 5 Schalmei 16', 6 Vox jubilante 16', 7 Baryton 32', 8 Aeolsharfe 8', Diskant-Dämpfung, F Diskantforte, Forte expressiv Diskant
Kniehebel: Doppelexpression
linker Hackenhebel: Ausl. Prolongement
mittlerer Hackenhebel: Grand Jeu