Altenstadt: Sterling, USA, Bj. 1874/75
Als neues Projekt startete ein Sterling von 1874/75. Dieses Harmonium
wurde für den Englischen Händler J. Hoyland, Sheffield gefertigt.
Das schöne Instrument aus massivem Nussbaum, besaß auch noch einen
dekorativen Aufsatz.
Hier liegt verm. Staub der letzten 150 Jahre, jedenfalls fanden sich
keine Spuren größerer Eingriffe.
Dementsprechend sah es auch im Windkasten aus!
Erster Blick auf die Balganlage - so etwas möchte man nicht im
Wohnzimmer stehen haben.
Der Ausbau der Balganlage offenbarte die hohe Qualität der
Schreinerarbeiten.
"Mouseproof" - die Form und Stellung der Pedale ist so gewählt, dass
in Ruhestellung der Abstand zum Gehäuse minimal ist und keine Maus
durchschlüpfen kann.
Der originale Trittbelag war sehr farbenfroh.
Das ist die Ausbeute der Demontage, damit ist die Poliertrommel
wieder ein paar Tage beschäftigt.
Nun wurde die Gehäusereinigung in Angriff genommen.
Der Bodenrahmen musste teilweise demontiert werden, da sonst die
Tritte nicht ausbaubar gewesen wären.
Nach 1 1/2 harten Arbeitstagen, erstahlte das Gehäuse wieder im alten
Glanz.
Auch innen war es nun fast wohnlich.
Wie so oft, waren die Tritte mit diesen Scharnieren befestigt, welche
zur Fixierung auf der Unterseite des Bodenrahmens umgeschlagen werden.
Leider ist ein Ausbau der Tritte im montierten Zustand nicht möglich.
Die Tritte können nur zusammen mit dem Bodenrahmen ein- oder
ausgebaut werden.
4 Schrauben und 4 Nägel halten das Rahmenteil an seinem Platz.
Weiter ging es mit der Demontage des Balges, welcher schon ettliche
Reparaturspuren aufwies.
Nach dem Auftrennen, Abziehen, Abschaben, Dampfern und Schleifen,
kann es mit dem Neubezug los gehen.
Die Balgplatten mussten noch schreinerisch überarbeitet werden.
Eine Schöpferplatte war so verzogen, dass ich eine Hartholzfeder in
das dünne Brett einlassen musste.
Hier wurde gerade der Scharnierstreifen (Kalbleder) an der
Magazinplatte befestigt.
Dann wurden alle beweglichen Platten wieder mit der Trägerplatte
verbunden.
Da die Schöpferplatten immer noch ein wenig verzogen waren, entschied
ich mich auch hier für die starke Scharniervariante aus Kalbleder.
So halten die Platte bombenfest und lassen sich gräuschlos und leicht
bewegen.
Oben liegt die "kleine" Bespannung der Sterling-Schöpfer, die
"großen" Schöpfer darunter sind für ein anderes Projekt (Lindholm).
Bevor die Bespannung die Schöpfer verschließt, sollte man an die
Fangventile denken - hier geschehen.
Ob groß, ob klein, der Aufwand des Neubezuges ist annähernd gleich.
An diesem Balg war das Balgtuch mit Leisten auf der Trägerplatte
gesichert, sie wurden wieder verwendet.
Das Magazin hat außen liegende Federn, was sehr praktisch ist.
Saugwindbalg im "Querschnitt" (ohne Schnitt). Links Schöpfer - rechts
Magazin - dazwischen die Trägerplatte.
Hier ist der Balg an seitlichen Leisten fest im Gehäuse fixiert.
Weiter ging es mit der Demontage des Werkes.
Den Zustand kann man getrost als "desaströs" bezeichnen.
Die Oktavkoppel war bis zur Unkenntlichkeit verdreckt und verrostet.
Nachdem alles abgebaut war, begannen die Reinigungsarbeiten.
Die Ventile vor ...
... und nach der Reinigung. Pinsel, Messingbürste, Staubsauger und
Pressluft machten es möglich.
Auch die Zungen durchliefen die Reinigungsprozedur.
Die Lade nach der Reinigung. Besser ging es nicht!
Auch die Klaviatur war ein schwerer Fall. Unter der dicken
Staubschicht vorn, verbargen sich tatsächlich noch Anschlagfilze.
"Ein wenig" später, sah dann alles schon wesentlich besser aus.
Grau in Grau war auch die Registermechanik.
Der schwarze Schellack der Registerblende und der Klaviaturbacken,
hatte schon bessere Zeiten gesehen.
Hier liegt das Ergebnis vieler Stunden. Die Oktavkoppel z.B. musste
gestrahlt, gespült, neu gefilzt und wieder zusammengesetzt werden.
Nun ging es ins Finale. Begonnen wurde mit dem Anhängen der Tritte,
sowie dem Einbau des Fundamentbrettes.
Es folgte das Komplettieren des Lade.
Die frisch gereinigten Ventilstifte wurden wieder eingeschlagen und
die Ventile eingesetzt.
Nach dem Aufleimen neuer Zungenfilze, konnten die Kanzellen mit ihren
Zungen bestückt werden.
Die Forteklappen erhielten neue Befilzungen.
Es folgte der Einbau der Stecher, sowie der frisch überarbeiteten
Oktavkoppel.
Das Geradelegen der Klaviatur nahm einige Zeit in Anspruch.
Dann ging es schon mit der Registermechanik weiter. Die schwarzen
Anbauteile wurden retuschiert und aufpoliert, die Registerführungen
erneuert.
Die entrosteten Wellen kamen mit neuen Lagerfilzen wieder an ihren
Platz.
Einige der Umlenkhebel mussten ebenfalls ersetzt werden.
Nachdem die Registermechanik mit den Mutzen verbunden war, konnte das
Werk wieder ins Gehäuse ziehen.
Es folgte die Stimmung. Diesmal auf 452 Hz, denn das Instrument wurde
für den englischen Markt gebaut (J. Hoyland, Sheffield).
Die restlichen (recht zahlreichen) Gehäuseteile mussten noch
überarbeitet werden.
Dazu zählte auch der Aufsatz.
Wie das Instrument selbst, war auch der Aufsatz extrem verschmutzt.
Im Bild sieht man die Oberfläche vor (rechts) und nach der Reinigung
(links).
Die Frontblende hatte über die Zeit einige Teile eingebüßt, sie
wurden nun ersetzt.
Hier noch einmal ein Blick ins Innenleben, bevor es mit Deckel und
Aufsatz verschlossen wurde.
Nach dieser Restaurierung kann der Besitzer ein wahres Schmuckstück
sein Eigen nennen. Die beiden Spiele sind zwar nicht üppig, haben aber
einen wunderbaren Klang - genau richtig für's heimische Wohnzimmer!
Hier noch zum Vergleich der traurige Ausgangszustand.
Erbauer: Sterling, Derby, USA, Bj. 1874/75,
System: Saugwind, Klaviatur: F
1 - f''', Teilung bei h°/c',
Stimmung 452 Hz
Disposition: Bass Coupler, Diapason, Dulcet, Principal, Hautboy
Vox Humana
Violina, Flute, Echo, Melodia, Coupler
Kniehebel: li = Grand Jeu, re = Forte