Wendlingen: Schiedmayer Pianofortefabrik, Stuttgart, Bj. ca. 1869

Ein neues Jahr, und schon kommt der erste ungeplante Patient. Dieses Schiedmayer soll im Februar als Mietinstrument zur Verfügung stehen.

Das Instrument ist soweit in gutem Zustand, allerdings gibt es hier und da ein paar Kleinigkeiten zu machen.

Die größte "Kleinigkeit" betrifft die Balganlage. Die Schöpfer wurden schon mehrfach geflickt, Faltenscharniere sind gebrochen, es bläst und zischt an allen Ecken.

Im Bild wird gerade der Zustand des Magazinbalges überprüft (und für gut befunden). Die Schöpfer mussten schon weichen.

Zuerst wurden die Balgplatten gründlich von der alten Beleimung befreit und ein paar Risse verschlossen. Im Bild liegen die blanken Holzfalten zur Trocknung.

Die Balgplatten erhielten Scharniere aus stabilem Kalbleder. An den Holzfalten wurden die ersten Leinenbänder angebracht.

Hier fixiere ich gerade die Stirnfalte eines Schöpfers auf der Balgplatte. Die Innenfalten haben bereits ihr Lederband, der Scharnierstreifen ist eingeschnitten.

Nachdem alle Faltenpaare fixiert waren, konnten die Schpöferplatten mittes dem Kalblederscharnier auf die Trägerplatte geleimt werden.

Als nächstes waren die Lederstreifen der Faltenscharniere an der Reihe. Dann wurden die Zwickel vermessen und zugeschnitten.

Schritt für Schritt konnten nun die Bälge "verschlossen" werden.

Nach dem Abschluss der Lederarbeiten, ging es mit dem Papier los.

Gemäß dem Vorbild, wurden die Schöpfventile einfach mit Papier überleimt und anschließend herausgeschnitten.

Weiß-Blau ist einfach eine herrliche Farbkombination ;-).

Dank meines Aufzugs, ging es mit dem Balg ohne Rückenschmerzen zurück ins Gehäuse.

Jetzt warten noch die anderen "Kleinigkeiten" auf mich.

Darunter war die Stimmung auf 442 Hz. Die tiefe Oktave des 16' und die letzte Oktave des 4' sind reine Nervensache, dazwischen macht bei der Stimmung fast alles Spaß.

Dank der Aufzugkonstruktion, ist das Auf- und Zuklappen des Werkes leicht zu bewerkstelligen. Da so eine Stimmung STRESS für ein Instrument bedeutet, kommt man jedem Fehler auf die Spur, wie hier bei der Percussion.

Erst in ausgebauten Zustand kann man den Defekt richtig gut erkennen, welcher für ein Versagen/Verzögern des Hämmerchens sorgte.

Frisch beledert, stand nun wieder der Einbau bevor. Manchmal wären ein oder zwei Gelenke mehr in den Fingern nicht schlecht ;-).

Dieses Instrument ist eines der wenigen, das im Bassbereich etwas schwächer ist, als im Diskant. 1869 hat man darauf schon reagiert und das Bassforte einzeln, das Diskantforte jedoch zusammen mit der Bassklappe öffnen lassen.

Von hinten noch einmal ein Blick auf die neuen Schöpfer.

In diesem Zustand steht das Harmonium nun für seinen Einsatz als Konzert-Instrument zur Verfügung.

Erbauer: Schiedmayer Pianofortefabrik, Stuttgart, Bj.: 1869, System: Druckwind, Klaviatur: C - c'''', Teilung e'/f'

Disposition: Sourdine, Forte (Bass), 4 Basson, 3 Clairon, 2 Bourdon, 1 Cor Anglais, P Percussion, G Grand Jeu, E Expression, P Percussion, 1 Flute, 2 Clarinette, 3 Fifre, 4 Hautbois, Forte (Bass + Diskant), Tremolo

Kniehebel: Grand Jeu / Forte