Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Stuttgart:
Pedalharmonium John Holt, Birmingham, Bj. 1935

Nachdem im letzten Jahr die Windversorgung fertig wurde, startete das neue Jahr mit dem Bau der Registermechanik.

Aus quadratischen Eiche-Kanteln, wurden 8-eckige Wellen gefräst.

Arme und Umlenkungen aus Weißbuche, wurden anhand der Zeichnung angefertigt.

li: Da die Registerzüge weit vorne und im 45°-Winkel aus dem Gehäuse treten, sind zwei Wellen pro Zug nötig. Im Bild sieht man die hinteren Wellen der Cs-Seite, welche die Bewegung auf die Höhe der Windlade bringen.

re: Passen die Kreuzungs-punkte von Register-mechanik und Statik? ... sie passen!

Hier sieht man die eingebauten Wellen. Nach oben geht es zu den Schleifen, nach links zu den nächsten Wellen der Registerzüge.

li: Die vorderen Wellen der Cs-Seite. Da hier auch noch die Wellen für den Forte-Zug (Schweller) sitzen, sind es etwas mehr.

re: So "hängt" die Mechanik am Ständerwerk der Windlade..

Da das Gehäuse keine tragende Funktion hat und die Originalsubstanz so wenig wie möglich angetastet werden soll, müssen die Einbauten in sich stabil genug sein, daher die Käfiglösung.

li: Hurra - angekommen! Die Führung der runden Züge, übernimmt später die Register-blende.

Zwei Stangen pro Zug (hier Cs-Seite). Die runden tragen später die Manubrien, die rechteckigen leiten die Bewegung zur hinteren Welle.

Nur 4 Züge und doch so komliziert! Schließlich soll der Gang (Weg) der neuen Mechanik auch zum Gang des Originals passen.

li: Als erstes musste die Einschaltung der neuen Manualkoppel III/II realisiert werden. Man blickt hier auf das II. Manual, die Klaviatur des III. Manuals ist nicht eingebaut.

re: Nun folgte die Schaltung der neuen Pedalkoppel III/P (hier mit eingebautem III. Manual).

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Registermechanik auf der Cs-Seite, folgte nun die C-Seite. Da ich hier auch tief in die alte Mechanik eintauchen musste, war es nicht weniger kompliziert.

li: So hängt der Käfig der C-Seite an der Windlade. Der tiefe Ausleger nimmt die Wellen der Koppelschaltungen auf.

re: Nun mit Wellen bestückt. Auch hier sitzen 4 Züge, 3 mal Koppeln (Manual-, Pedal- und Oktavkoppel) und ein Tremolo/Vox.

Die Käfigteile der C-Seite wurden nun vorbereitet.

li: Blick auf die neuen Koppelschaltungen III/II und III/P.

re: Da Koppelschaltungen in der Regel selbstarretierend sein müssen (es kommt Last darauf), ist der mechanische Aufwand etwas größer, wie hier bei der Oktavkoppel.

So schweben nun die beiden Registermechanik-Käfige über der vorhandenen Mechanik, welche weiterhin schell ausbaubar ist.

li: Die Maße der neuen Blenden werden ermittelt.

re: Die neuen Blenden sitzen auf dem Original, obenauf liegt der alte Deckel.

Die Anfertigung war dann kein Problem. Wie es geht, zeigte das Original.

Die Registerblenden waren der Auftakt zu den nun folgenden Gehäusearbeiten -also Säge gezückt und Kleinholz gemacht!

Im ersten Schwung wurde das Holz für die Motorkiste - besser Motorschrank - vorbereitet.

Nach dem Maßschnitt wurde genutet und gezapft.

li:Vor dem Verleimen erfolgte ein testweiser Zusammen-bau.

re: Ein echter Hingucker! Allein an diesem Motorschrank sind 18 Füllungen verbaut. Das "Bauwerk" nimmt unten das Gebläse des Saugwind-Harmoniums, oben das des neuen Orgel-werkes auf.

Die Füllungen wurden passend zum Instrument abgeplattet (profiliert).

li: Der Übergang vom Motor-schrank zum Instrument, wurde so kompakt wie möglich gehalten und ist nicht größer als zuvor.

re: Auch die Frage der Zu- und Abluft musste geklärt werden. Nicht nur um die Innenflächen besser verkleiden zu können, wurde ein (so gut wie möglich) entkoppelter Innenkasten aus MDF eingesetzt.

Da der Schrank sowohl Druckwind wie auch Saugwind ausgibt, musste ein trennendes Kanalsystem integriert werden.

re: Blick auf das Saugwind-gebläse. Bis auf die Oberfläche, ist der Motor-schrank nun fertig.

Hier sieht man den Platz für die Ventola des Orgelwerkes. Über den kleinen Schacht links, gelangt der Druckwind zum Kanal. Der große Schacht dient als Zugang zum Saugwindkanal und wird später verschlossen.

Der "schwebende" Deckel dient als Ansaugöffnung der Ventola.

li: Der größte Eingriff an der Originalsubstanz, ist der Ausschnitt für den Druckwindkanal in der Seitenwand (unten).

re: Hier bekommt man das erste mal einen Eindruck vom alten und neuen Gehäuse direkt nebeneinander.

Testlauf! Nach langer, langer Zeit, bekam ich endlich einen Klangeindruck vom Instrument. Zumindest das originale Harmonium funktioniert schon mal prima.

Im zweiten Bauabschnitt kümmerte ich mich um die neue Prospektfront.

Der große Rahmen wurde auf der ebenen Kreissäge verleimt.

Die Anpassung der Neuteile an den Bestand, entpuppte sich als Herausforderung.

Der Rahmen dient nicht nur als Blende zur Aufnamhe der blinden Prospektpfeien, er beinhaltet auch einen Schweller.

Aus Platzgründen ging ich hier auf eine Schiebekonstruktion.

Die Rückseite des Rahmens mit geschlossenem Schweller.

re: Solange das restliche Gehäuse noch nicht vorhanden ist, dient eine Stütze der Stabilisierung.

Hier sieht man nun den bisherigen Aufbau in seiner ganzen Pracht. Schweller auf ...

... Schweller zu. Auch die Mechanik ist schon drin (siehe Registerzug).

Bauabschnitt 3: Der Rest!

Die Rahmenteile wurden zugeschnitten, ...

... die Füllungen verleimt und ausgehobelt.

Nun folgte die Anferigung der Seitenteile.

Wie schon beim Motorschrank, wurden die Füllungen an der Tischfräse abgeplattet.

Analog zum Original, erhielten die Frontteile eine passende Kannelierung.

Alles genutet, alles gezapft? Hoffentlich passt alles ...

li: Erstes Platznehmen - sieht gut aus!

re: Nach vielen weiteren Arbeitsschritten, darunter die Überarbeitung des Gehäusedeckels, stand das erste mal das komplette Gehäsue vor mir.

Sehr imposant!

Es ist eine Sache, so etwas zu entwerfen und auf dem Papier/CAD zu planen. Aber es dann live vor einem stehen zu sehen, hat schon was.

Hier werden gerade die kannelierten Frontteile an die Seitenwände geleimt. Die fehlenden Füllungen sind später entnehmbar und werden nicht mit eingeleimt.

re: Die Pfeifen wurden nach den Rastern ausgerichtet und die Fuß-bohrungen auf das Holz übertragen. Bei großen Pfeifen spielt die Abwei-chung der Fußspitze aus dem Pfeifen-zentrum keine große Rolle, hier aber schon.

Doch es wird noch besser. Hier liegen alte Prospektpfeifen eines (verm. mittlerweile aufgegebenen) Schiedmayer-Harmoniums, welche nun für dieses Instrument vorgesehen sind.

Die Raster wurden anhand ausgedruckter 1:1 Zeichnungen angefertigt.

re: Da die Pfeifen sehr knapp unter dem Gehäuse enden, hat man den Eindruck, sie würden dahinter weiter gehen.

Hier sieht man die "unsichtbare" Anhängung der Prospektpfeifen. Aus Platzgünden (die Pfeifen des Mittelfeldes stehen unmittelbar vor dem Schweller) waren herkömmliche Haften nicht möglich.

Der erste Schnitt beim Ablängen der Pfeifen war etwas "gruselig", aber was sein muss, muss sein.

li: Den Abschluss der Gehäuse-arbeiten, bildete die Ergänzung der Rückwand.

re: So sieht die Rückwand nun fast geschlosssen aus. Die untere Füllung konnte aufgrund der Zwingen noch nicht eingesetzt werden.

Damit die Füllung nicht zu groß und schwer wird, wurde die Rückwand in "Mechanik" und "Pfeifen" unterteilt.

Nach reiflicher Überlegung hatte ich mich dazu entschlossen, ein Gewächshaus in der Werkstatt aufzustellen. Nun mussten nämlich die neuen Gehäuseteile farblich an das alte Gehäuse angepasst werden und das begann mit einem Räucherdurchgang mit Salmiakgeist (Ammoniaklösung).

li: "Hermetisch" abgedichtet, bot mir das Haus einen guten Schutz vor den Dämfen und ermöglichte eine hohe "Gaskonzentration" im Inneren.

re: Nach zwei Tagen in der Räucher-kammer, hatte das Eichenholz eine dunkle Färbung angenommen.

re: Nachdem der Schmutz mechanisch und chemisch entfernt war, wurde nachgebeizt, geölt und schellackiert.

Während es im Hintergrund so vor sich hin räucherte, startete die Überarbeitung der alten Gehäuseteile.

Am gesamten Sockel, hatten Generationen von Putzlappen ihre Spuren hinterlassen.

li: Der gleichmäßige Beizauftrag auf so ein Objekt, ist immer eine Herausforderung, aber alles hat gut geklappt.

re: Wie gut es mit der Farbe geklappt hat, sieht man auf diesem Foto. Der neue Schweller steht vor der alten Seitenwand. Farbunterschied? - nicht erkennbar!

Nach dem Räuchern wurden alle Teile noch mit Beize behandelt, um auf den gewünschten Farbton zu kommen.

Nach und nach wurden alle Teile mit Öl und Schellack behadelt. Da es schon einen nennenswerte Anzahl an Flächen war, wurde der Lack im Spritzverfahren aufgetragen.

Mit jedem Auftrag wurde die Oberläche schöner, bis schließlich der finale Glanzgrad erreicht wurde.

!!! Fortsetzung folgt 2021 !!!