Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Schwaz (A):
Einbau-Harmonium, Bj. ca. 1880

Anlässlich der bevorstehenden Restaurierung, wurde ich 2019 gebeten, die Aigner-Orgel von 1843 bzw. das Einbau-Harmonium davon anzusehen.

Die Überraschung war groß, denn entgegen meinen Erwartungen (Physharmonika), fand ich tatsächlich ein Harmonium im eigentlichen Sinne vor (konstruktiv, klanglich).

In den nebenstehenden Bildern sieht man die Einbausituation. Das Harmonium greift in die HW-Traktur ein.

li: Nach der Anliefrung in die Werkstatt, wurde der Kasten erst einmal grob gereinigt, bevor die Demontage begann.

Bei den Zungen handelt es sich verm. um deutsche oder österreichische Zungen (Schiedmayer, Kotykiewicz). Da sich keinerlei Hinweise auf Erbauer und Baujahr finden ließen, sind Zuordnungen nur Spekulation.

Wie beim Harmonium üblich, verfügt jede Zunge über sog. Vor- und Resonanzkanzellen. Auch das Setzen der Zungen in Schellack, deutet auf einen Instrumentenbauer mit Harmoniumerfahrung hin.

re: Hier sieht man die Rück-seite einer Diskantzunge. Sollte jemand belegbare Hinweise zur Herkunft haben, bitte melden.

Der Ausbau der 8'-Zungen war stellenweise nicht unproblematisch, da einige Schrauben beim Ausdrehen abbrachen.

Im Beisein eines Verantwortlichen und unter mikroskopischer Aufsicht, wurden die Zungen im Ultraschallbad gereinigt.

Nun begann die Demontage der Mechanik, hier der Ventilhebel.

Einige Lagerstellen waren ausgebrochen.

Ich weiß, das Foto ist schlecht. Aber bei genauer Betrachtung sieht man die verbogenen Achsen der Ventilhebel.

An der Verschmutzung konnte man gut erkennen, welches der Ventile gut und welches weniger gut dichtete.

Nach der Demontage begann die Reinigung.

Da auch viele Mechanikwinkel gebrochen waren, bzw. offene Leimungen hatten, wurden auch diese aus dem Winkelbalken gelöst.

Für die Reinigung der Ventile waren Mundschutz und Klasse-M-Sauger notwendig, die Verrußung war enorm.

Auch die Dichwulst wurde entfernt, sie wurde ihrer Aufgabe nicht mehr gerecht.

Hier liegt das komplette Sammelsurium der gereinigten Einzelteile.

Nun begannen die Reparaturen. Hier habe ich gerade die ersten Schraubenreste aus dem Zungenbett entfernt, die Löcher aufgebohrt und passende Holzstöpsel angerfertigt.

Nach dieser Reparatur, musste das Zungenbett behutsam überschliffen und begradigt werden.

An den Mechanikwinkeln gab es zahlreiche Ausbrüche und lose Verleimungen zu reparieren.

re: Die frrisch gereinigten Federn wurden auf gleiche Stärke eingestellt.

Sämtliche Schrauben, Beilagscheiben und Federn, durchliefen das Ultraschallbad sowie die Poliertrommel.

Dann konnten die ersten Zungen schon wieder eingesetzt werden.

Über den Ventilen sitzt ein Forteschieber.

Hier sieht man schon die neu angefertigte Dichtwulst.

"Aktiviert" wird das Harmonium, indem der Winkelbalken angehoben wird und die Mechanikwinkel so in die HW-Traktur eingreifen können.

Zur Stimmung des Harmoniums wurde zuerst jeder Ton vermessen (Hz). Daraus ergab sich zweifelsfrei eine Stimmtonhöhe von 439,7 Hz.

Dann ging es auch schon zur Montage. Hier sieht man die Rückseite der Orgel, bereits neu gefasst.

Das Harmonium wird durch eine kurze Verbindung zum Hauptkanal mit Wind gespeist und "sitzt" quasi auf dem Stimmgang des Pedals.

Hier sieht man die Trakturbahn samt Mitnehmer des Hauptwerkes, noch ohne Harmonium. Davor sind Schallöffnungen (im Notenpult) zu erkennen.

Nun mit Harmonium. Die Mechanikwinkel sitzen unmittelbar unter dem Wellenbrett, was teilweise zu "Reibereien" führt.

Die Bewegung der Mechanikwinkel wird mittels Stecher auf die Ventilhebel übertragen. Da die Stecher beim Ausbau nicht markiert wurden, war der Einbau eine Sisyphusarbeit.

Hier greifen die Stecher in die Ventilhebel ein.

Auf der Gegenseite sitzen sie im senkrechten Teil der Mechanikwinkel.

Endlich ein besseres Foto! Hier kann man gut die Trakturbahn, die Mechanikwinkel und den darunter sitzenden Trakturrechen erkennen.

So sah es an der Orgel nach Abschluss der Einbauarbeiten aus. Die Lampe strahlt die Rückseite des Wellenbrettes an, darunter sieht man die Mechanikwinkel samt Trakturrechen des Harmoniums. Das Harmonium "spricht" also direkt den Organisten an, dafür sind im oberen Bereich des Notenpultes extra Öffnungen vorgesehen.

Rein theoretisch sollten die Mechanikwinkel alle in einer Flucht stehen, aber sie müssen natürlich der Position der Mitnehmer an der Traktur folgen, um einen einigermaßen gleichmäßigen Anschlag zu haben.

Erbauer: Josef Aigner, Schwaz

Baujahr: 1843

Restaurierung: 1988 Orgelbau Pirchner

Restaurierung: 2020 Orgelbau Erler

Disposition HW (II):

Disposition RP (I):

Bordun 16'

Principal 8'

Principal 8'

Salicinal 8'

Copl 8'

Copl 8'

Gamba 8'

Octav 4'

Octav 4'

Flöte 4'

Flöte 4'

Superoctav 2'

Quint 3'

Mixtur 2' 2-fach

Superoctav 2'

Dispositopn Ped:

Cornett 2' 4-fach

Subbass off. 16'

Mixtur 1' 3-fach

Subbass ged. 16'

Harmonium 8'

Octavbass 8'

Spielhilfen:

Quintbass 5 1/3'

Auch die Anordnung der Registerzüge für das Harmonium, deutet auf einen nachträglichen Einbau hin.

Koppel I/II (RP/HW)

Posaune 8'

Koppel II/P

Pombard 16'

Forte (Harmonium)

Erb. Harmonium: unb., evtl. P. Peter Singer

Baujahr: verm. um 1880

System: Druckwind

Foto: Guardian P. Jakob Wegscheider