Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Nannhofen:
Orgel von Georg Beer, Andechs, Bj. 1875

li: Das überschaubare Werk mit fünf Registern, wurde platzsparend vor und über dem Emporenzugang erbaut. Wer hierher kommt, betritt die kleine Empore in demütiger Haltung.

re: Vom Glanz und Klang vergangener Tage, war nicht mehr viel vorhanden.

Der Erstkontakt mit dieser Orgel war im Frühjahr 2015. Das Instrument war technisch wie klanglich in desolatem Zustand.

Bereits im Februar 2017 wurden die Prospektpfeifen aus Zink ausgebaut, sie sollten durch neue ersetzt werden.

Erst im September konnten wir mit den Arbeiten beginnen. Los ging es natürlich mit dem Ausbau des Pfeifenwerkes.

Der Anblick, welcher sich uns beim Ausbau bot, trieb mir immer wieder kalte Schauer über den Rücken. So viel Schmutz und Wurmmehl hatte ich bislang selten gesehen.

li: Dieses Foto entstand während dem Ausbau. Es dokumentiert den Versuch, die mehrere Millimeter dicke Schicht aus Wurmmehl mit dem Staubsauger zu entfernen.

re: Mit dem Ausbau der Pfeifen, wurden auch die gröbsten Verschmutzungen beseitigt.

Vorallem die Holzpfeifen waren sehr stark vom Wurm befallen und in sehr schlechtem Zustand.

li: Das Pfeifenwerk wurde in der Werkstatt erst einmal gesichtet, geordnet und sauber gelagert.

Nun konnte Azubi Jonas mit der Reinigung beginnen. Die Metallpfeifen wurden in warmer Seifenlauge gebadet. Wo noch Spuren der alten Lötfarbe vorhanden waren, wurde vorsichtig gewischt.

Sämtliche ausgebauten Holzteile wurden ebenfalls gründlich gereinigt und gegen Holzwurm behandelt.

li: Natürlich musste auch das Gehäuse und die Technik gereinigt und behandelt werden, was noch im Winter 2017 geschah.

li: Ein Blick in das geöffnete (und bereits gereinigte) Trakturpodium. Die Manualtraktur läuft über Winkelbalken, das Pedal jedoch über Wippen, was die Einbauhöhe (aber auch das Spielgefühl) enorm reduziert.

re: Blick in den ausgeräumten Spieltisch.

In der Werkstatt ging es nun mit der Überarbeitung der Pfeifen los. Angesichts der teils sehr starken Schäden entschloss ich mich, einen Teil der Holzpfeifen von einem Spezialbetrieb überarbeiten zu lassen.

Viele, vorallem kleine Holzpfeifen, gaben Anfangs vor lauter Wurmlöcher und Substanzverlust keinen Ton mehr von sich. Nach der Kur mit Wachs, Warmleim und teilweise sogar mit Kunstharz war alles wieder einwandfrei. Ersetzt werden mussten nur wenige Teilbereiche.

Auch die Metallpfeifen durchliefen ein intensives Überarbeitungsprogramm. Viele Mündungen, Labien und Füße waren stark verformt. Der Lötkolben war im Dauereinsatz. Zeitgleich wurde die Ansprache der Pfeifen kontrolliert, damit sie bei der Intonation überhaupt einen Ton von sich geben.

li: Jonas nahm sich derweil der Pedal-klaviatur an. Nach dem Zerlegen stand erst einmal Putzen auf dem Plan.

re: Gerne würde ich schreiben "ein paar Stunden Später", aber es waren eher viele Stunden später, als die Klaviatur wieder in diesem Zustand war.

Die ehemalige Befilzung der Tastenanschläge war aufgrund von Mottenfras nur noch erahnbar.

Das Oberteil des Spieltisches musste zerlegt und die Oberflächen überarbeitet werden.

Gleiches galt auch für die Registerzüge. Im Bild sieht man auch die Zutaten für die Schellackpolitur.

Zusammen mit der frisch polierten Klaviatur, ergab sich nun wieder ein würdiges Gesamtbild.

re: Für den Einbau der Prospektpfei-fen, war der vorläufige Einbau der Stöcke notwendig.

Stellvertretend für viele Kleinteile, seinen hier die Stockschrauben erwähnt, welche nach dem Ultraschallbad 3 Tage in der Poliertrommel verbrachten, bis sie wieder SO aussahen.

Mittlerweile waren die neuen Prospektpfeifen fertig und wurden in die Werkstatt gebracht.

li: Es sind zwar nicht viele Pfiefen, aber die kleine Kirche war schnell belegt.

re: Der Einbau ging zügig von der Hand, die Pfeifen passten wunderbar. Lediglich ein paar Fußlängen mussten korrigiert werden.

Die überarbeiteten Teile des Spieltisches kamen nun zurück an ihren Platz. Da die Technik nun wieder komplett war, konnte die Traktur getestet werden.

Bei diesem Test stellte sich heraus, dass mehrere Ventile undicht und durch ihren reinen Lederbelag unerträglich laut waren. Da in der Vergangenheit schon munter Ventilbeläge ausgetauscht wurden, entschloss ich mich, alle Ventile neu zu belegen. Mit Dampf wurden die Ventile vom alten Belag befreit (Bild li). Nach der Trocknung wurden sie abgerichtet und ein neuer Belag aus Filz und Leder aufgebracht.

Die Löcher der hinteren Haltestifte wurden ausgebrannt, um die Gefahr der Korrossion zu minimieren (Leder / Messing). Beim Ausbau waren mehrere Ventile nur mit Gewalt zu lösen.

li: Ohne Ventile war nun ein guter Zeitpunkt, die Lade zu reinigen. Die gespundete Lade verfügt über durchgehende Holzdämme und -schleifen.

re: Da die Stöcke gerade ausgebaut waren, konnten die Pfeifen schon einmal zur Probe eingesetzt und ausgerichtet werden, was dringend nötig war.

re: Die Schleifen liegen im Lederbett, welches nur pflegend behandelt wurde. Auf der Stockseite (Oberseite der Schleifen) gibt es keine Dichtung.

li: Auf Anraten des Pfeifenbauers, erhielten die neuen Prospekt-pfeifen der Außenfelder wegen ihrer großen Überlängen ein zusätzliches Raster.

Pfeifentechnisch war nun alles komplett und konnte geliefert werden.

In historischer Manier, kommen die neuen Prospektpfeifen ohne Seitenbärte aus.

Technik fertig, Pfeifen fertig - fehlt noch der Wind, welcher nun in Angriff genommen wurde.

Die originale Kastenbalg-Anlage verrichtete nur noch unzuverlässig ihren Dienst. Im Verdacht stand die Belederung der Platten.

Hier liegen die Platten schon zum Abtransport bereit. Ihr Ausbau mit den darunter hängenden Gewichtskästen, war und ist kein Zuckerschlecken.

Der Verdacht hat sich bestätigt. Allerdings waren nur die seniblen Ecken beschädigt. Die Flankenbelederung war noch in gutem Zustand.

Sämtliche Balgecken wurden nun erneuert und durch einen größerern Überstand zwischen Ecke und Flanke noch winddichter gemacht.

Die Holzleisten an den Flanken halten das Leder in Form, welches durch den Überdruck im Balg nach außen gepresst wird (Ansicht Unterseite).

re: Einziger Unterschied zu vorher: die linke Balgführung steht nun ca. 35cm aus dem Katsen heraus. Sonst sieht man nichts, keine Motorkiste, keine Drossel, keine Schnur.

Da die schönste Orgel wenig gespielt wird, wenn man sie nicht alleine spielen kann, wurde lange über die Möglichkeiten einer motorisierten Windversorgung nachgedacht. Letztendlich entschied man sich für den Einbau eines Gebläses in einen der Kastenbälge. Diese Variante ist unauffällig, platzsparend, funktionssicher und schont die historische Substanz. Die manuelle Betätigung der Bälge ist dabei weiterhin möglich. (Bild re noch ohne Schallschutzmatten)

re: Da nun alles einsatz-bereit war, begannen wir mit dem Einbau der Holz- und Metallpfeifen. Anhand der vorhandenen Pfeifenlängen, konnte eine Stimmton-höhe von 436 Hz bei 15°C ermittelt werden.

Nach der Balggeschichte, kamen die neu belegten Ventile zurück an ihren Platz. Die Lärmreduktion ist signifikant!

Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, aber nun war es soweit, eine Restauratorin kümmerte sich um die Überarbeitung der Fassung und Vergoldung.

Die Fassung wurde retuschiert, die Vergoldung jedoch erneuert. Auf eine Rückführung zur irgendwann vorhandenen Marmorierung, wurde bewusst verzichtet.

Vier Wochen später konnten die restlichen Register eingebaut und intoniert werden. Auf dem Brett leigt ein Teil des doppelt besetzten Flautino 2' (2 ' + 2 2/3' ab c°).

Im Propekt stehen Pfeifen des Oktav 4' und die große Oktave des Flautino 2' (außer C und Cs). Ungewöhnlich ist das Vorhandensein des Cs 4' im Prospekt, dafür steht H innen.

Zum Abschluss wurde auch die überarbeitete Padalklaviatur eingesetzt. Register- und Tontraktur arbeiten leicht und präzise. Das Klangbild ist erstaunlich rund und voluminös.

Bei der Intonation hatten wir zwar nur wenig original klingende Pfeifen (Wind / Stimmung) zum Vorbild, aber nun erklingt alles wie aus einem Guss. Ein gut tragendes Gedeckt, ein fester Principal und ein strahlendes Flautino sorgen für ein ordentliches Plenum in der kleinen Kirche. Salicional und Flöte runden die Sache nach unten ab und schmeicheln mit weichen Tönen.

Erbauer: Georg Beer, Erling/Andechs

Baujahr: 1875

System: mechanische Schleiflade, Manual und Pedal durchschoben

Disposition:

Manual C - f'''

Gedeckt 8'

Salicional 8'

Principal 4'

Rohrflöte 4' (ohne Rohr ;-))

Flautino 2' (ab c° 2-fach mit 2 2/3')

Pedal C - f°