Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Schwarzwald:
Harmonium Schiedmayer "Dominator - Bizet", Stuttgart, Bj. 1927

Dieses wunderbare Druckwind-harmonium aus dem Hause Schiedmayer, kam in "etwas" verwahrlostem Zustand in die Werkstatt.

Trotz der herunter-gekommenen Erscheinung, war das Instrument fast vollständig spielbar.

Der Internet-Kauf sollte nun für sein neues Zuhause flott gemacht werden.

re: Nach dem Ausbau aller Innereien, ging es erst einmal an die Reinigung.

Obwohl die Ausführung "Bizet" das kleinste Modell der Dominator-Reihe ist, glich das Ausheben des Werkes einem Kraftakt.

Hier ein Blick auf die vollkommen intakte Doppelexpression.

li: Vorallem die Rückwand war stark betroffen. Nachdem sich ablösende Partien wieder verleimt waren, mussten Schäden ausgebessert werden. Der Mittelsteg erhielt ein neues Furnier.

re: Auch das Sockelfurnier war nicht zu retten und wurde erneuert.

Am Gehäuse waren zahlreiche und teils großflächige Furnierschäden zu beklagen.

li: Nach der farblichen Anpassung und Oberflächenbehandlung, war die Rückwand wieder makellos.

re: Auch dem restlichen Gehäuse tat die Frischzellenkur richtig gut, wie man sieht.

Die ersten Anbauteile kamen zurück ins Gehäuse. So war alles für den Einbau des Balges vorbereitet.

re: Um die Betriebs-sicherheit zu gewährleisten, sollten die Schöpfer neu bezogen werden. Beim Zerlegen kamen alte Buchhaltungs-unterlagen zum Vorschein.

Die Balganlage war noch in relativ gutem Zustand, allerdings zeigte sich an den Schöpfern schon Rissbildung in den Lederzwickeln.

Die schraubbare Schiedmayer-Konstruktion, erlaubt das Abnehmen des Windkastens samt Magazinbalg von den Schöpfern.

re: Nachdem auch die Platten-scharniere erneuert waren, konnten die Faltenpaare fixiert werden.

Die Falten mussten zuerst von der alten Beleimung befreit werden. Um das Papier soweit wie möglich zu erhalten, wurde auf den Einsatz von Dampf verzichtet.

Hier haben die Falten bereits wieder ihre Scharnierbänder erhalten und wurden paarweise zusammengehängt.

Hier sieht man das Aufleimen der Schöpferplatten auf die Trägerplatte. Das Scharnier besteht aus starkem Kalbleder.

Nachdem das Scharnier fertiggestellt war (innen und außen verleimt), wurden die noch losen Faltenscharniere auf der Trägerplatte fixiert.

Auf die Lederstreifen an den Faltenscharnieren, folgten die Lederzwickel.

Nach Abschluss der Lederarbeiten, wurden die Falten und Kanten mit Papier beleimt.

Das Papier sichert die Lederkanten und lehnt sich optisch am Original an.

So sieht die Balganlage wieder gut aus und funktioniert für Jahrzehnte.

li: Die Register-ventile wurden zur Reinigung alle ausgehoben und zusätzlich mit Talkum behandelt.

Die Doppelexpression wurde gereinigt und schon einmal vorjustiert.

Nun ging es mit der Windlade weiter. Hier wurden gerade die Ventile zur Reinigung ausgebaut, auch die Percussion ist schon draußen.

li: Da die Zungen allgemein in gutem Zustand waren, wurden nur die zur Reparatur nötigen ausgebaut.

Im mittleren Bereich des hintersten Spieles, hatte ein Wassereinbruch einen kleinen Schaden verursacht.

Nachdem der Schaden verleimt war, wurde die Fläche noch ein wenig überschliffen.

li: An der Percussion gabe es bis auf ein paar Kleinigkeiten nichts großartiges zu tun.

Auch die Stecherführungen sahen nahezu neuwertig aus.

Hier liegen Registerbrett und Windlade samt Percussion schon wieder im Gehäuse.

li: Nun war es an der Zeit, die Ventile zu reinigen. Alle wurden aufgebürstet, mit Pressluft ausgeblasen und talkumiert.

Im Bereich des Wasserschadens, mussten ein paar Ventile neu belegt werden.

Für diese Arbeit ist es zweckmäßig, den Ventilträger von der Taste zu lösen.

Da die alten Intonationsstreifen (aus Furnierklebeband) zerrissen waren, wurden auch diese erneuert.

Beim Einbau der vorderen Ventile, musste zugleich die Halteleiste des Prolongements mit eingebaut und ausgerichtet werden.

Hier sieht man ein paar der hinteren Ventile, welche neu belegt wurden, beim Einbau.

Beim einsetzen der Tasten, fiel mir auf, dass auch ein paar Prolongement-Haken nicht in bester Verfassung waren.

So sollte es mit einem sauberen Einhaken wieder klappen.

Da die Tasten keinerlei Regulierungs-möglichkeit haben, müssen sie mühevoll mit Papierscheibchen am Waagstift "auf Linie" (gleiche Tastenhöhe) gebracht werden.

Das Manubrium (Registerknopf) des Prolongements war beschädigt. Die Suche im Ersatzteillager war jedoch erfolgreich.

Hier liegt der alte und beschädigte Knopf , neben dem Hebel mit dem passenden Ersatzteil.

Der Hebel in der Klaviaturbacke, drückt gegen eine Feder, sodass sich die Halteleiste "frei" bewegen kann.

Noch eine Folge des Wasserschadens. Die Belederung der Metaphonklappen war hart und musste ausgetauscht werden.

Auch die Hebel und Schrauben waren verrostet, wovon man aber nach dem Ultraschallbad nichts mehr sah.

Leichtgängig, leise und dicht, so kann man die Anforderungen der Klappen umschreiben. Sie lenken die Klangabstrahlung der hinteren, über die vorderen Spiele und sorgen so für mehr Verschmelzung im Klang.

Hier sieht man den "Resonanzkasten" des Metaphon mit den oben liegenden Forteklap-pen. Davor liegen die Registerdrücker.

Die beiden Bälgchen des Forte-expressif wurden natürlich auch neu bezogen.

Über eine Verbindung mit dem Balg, werden sie je nach Druck mehr oder weniger aufgebla-sen und bewegen dadurch die Forteklappen.

li: Und noch ein Balg wurde neu bezogen, der "Dämpfer" des Grand Jeu. Dieser Balg bremst die Bewegung der GJ-Mechanik, sodass es nicht zu einem geräusch-vollen Schlag beim Betätigen kommt.

Da die Luft aus diesem Balg in einer bestimmten Geschwindigkeit entweichen muss, wurde im Original einfach der Lederbezug durchlöchert (Bild ganz li). Da mir diese Praxis etwas zu rustikal war, wurde eine Balgplatte mit einer regulierbaren Öffnung versehen (kleine Schraube, Bild mi). So kann man die Geschwindigkeit der mechanischen Bewegung besser kontrollieren. Im Bild re sieht man die gesamte Mechanik, der Dämpfer sitzt unten rechts hinter dem Sockel.

li: Nachdem auch die Registerzüge wieder an ihrem Platz waren, mussten noch ein paar Einstellungen, wie der Gang der Register oder die Doppelexpression, vorgenommen werden.

li: Dank der durchdachten Konstruktion, sind alle Bauteile rel. gut zugänglich. Wäre da nur nicht das Gewicht!

re: Zum Schluss fand eine ausgleichende Stimmng in vorhandener Tonhöhe statt. Diese Arbeit ist im vorderen 8' mit eingebauter Percussion immer etwas "umkomfortabel".

Nach dieser Maßnahme ist das Instrument nun wieder in einem voll spielbaren und vorzeigbaren Zustand. Es begeistert nicht nur durch seine große Auswahl an differenzierten Stimmen, sondern auch mit deren hoher Expressivität. Von der nun edlen Erscheinung einmal ganz abgesehen.

Erbauer: Schiedmayer Pianofortefabrik, Stuttgart

Bj.1927, Modell "Dominator - Bizet"

System: Druckwind'

Klaviatur: C - c'''', Teilung e'/f'

Disposition:

O Forte expressif

O Forte expressif

7 Violoncello 8'

8 Aeolsharfe 8'

6 Subbass 16'

7 Baryton 32'

5 Aeolsharfe 2'

6 Voix celeste 16'

4 Basson 8'

5 Musette 16'

2 Bourdon 16'

4 Hautbois 8'

1 Cor anglais 8'

2 Clarinette 16'

1p Percussion

1 Flute 8'

G Grand Jeu

1p Percussion

E Expression

M Metaphone B/D

Kniehebel: Doppelexpression

F Forte fixe B/D

Talonniere: Ausl. Prolongement

P Prolongement

Grand Jeu