Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Oberschweinbach:
Harmonium Ph. J. Trayser, Stuttgart, Bj. ca. 1868

Ein spontaner Internet-Kauf war dieses umfangreiche Trayser-Harmonium.

Zwar konnte ich auf Fotos sehen, dass der Zustand nicht berauschend war, was ich dann aber vorfand, war schlichweg desaströs.

Durch die Nutzung als Ablage/Tresen in einem Pub, war offensichtlich allerlei Flüssigkeit ins Instrument gelaufen.

Trotzdem ist es immer positiv, wenn ein Instrument nicht verbastelt ist.

Die Spinnweben stehen symbolisch für die starke Verschmutzung.

Der Balg war unbrauchbar. Außer ein paar kurzen Japsern, war dem Instrument nicht zu entlocken.

re: Was noch halbwegs schmackhaft war, wurde von den Motten gefressen und offensichtlich war die Flüssigkeit eher appetit-anregend als abschreckend.

Die undefinierbare Flüssigkeit hatte es über die Klaviatur (Bild li) bis auf den Ventilboden geschafft und hier zahlreiche Ventilbeläge verklebt.

Aber nun hatte ich das Instrument hier. Ausschlachten kam nicht in Frage, außerdem wäre es als Mietinstrument interessant, also machte ich mich ans Zerlegen.

li: Am Fundamentbrett war natürlich die Dichtung unbrauchbar da verklebt, sonst gab es aber keine Beschädigungen.

re: Nun eröffnete sich der Anblick einer Trayser-Spezialität, der "Double Expression", was sich hier auf die gleichzeitige Veränderung der Windmenge und der Forteklappen über den linken Kniehebel bezieht.

Ein erster Blick auf die Zungen war vielversprechend. Zwar warein einigen Zungen von der Flüssigkeit verklebt, jedoch nur eine abgebrochen.

Nach der Demontage ging es an die Überarbeitung des Gehäuses. Anfängliche Gedanken zum kompletten Austausch des Deckelfurnieres , wurden angesichts der fantastischen Wurzel-Nuss-Maserung wieder verworfen. Also machte ich mich an das Ausbessern der doch massiven Schäden. Zuerst wurde die Schadstelle ausgefräst, davon mit Bleistift und Papier ein Abbild erstellt, dieses ausgeschnitten und danach ein Furnierstück angefertigt. Nach dem Einpassen konnte diese eingeleimt und das nächste angefertigt werden.

Diese Arbeit zog sich über mehrere Tage, dann wurden die Flächen vorsichtig geschliffen.

Nach dem ersten Grundierdurchgang mit Schellack, wurden noch leichte Farbretuschen vorgenommen.

Hier bin ich bereits beim letzten Polier-durchgang der neuen Schellackoberfläche.

Zum Glück war das restliche Gehäuse in besserem Zustand, sodass nach der Ergänzung einiger Fehlstellen die Oberfläche gereinigt und aufpoliert werden konnte.

Hier sind die Gehäusearbeiten fast abgeschlossen. Der alte Nussbaum strahlt in den schönsten Farben!

Angesichts dieses Deckels, bin ich froh, das Furnier nicht ausgetauscht zu haben.

li: Während ich noch mit dem Schellack beschäftigt war, kümmerte sich Azubi Eric um die "Schlachtung" der Balganlage.

re: Hier lüftet er gerade das Geheimnis der "Double Expression". Über dem Expressionsventil und den Fangventilen, sitzt ein Kasten mit weiteren Ventilen, welche über den linken Kniehebel bedient werden können, sofern die "DE" aktiv ist. Im abgeschaltenen Zustand sind die Ventile immer offen.

Zum Schluss blieben nur die rohen Holzteile übrig.

Nachdem die alte Beleimung gründlich entfernt war, konnte mit dem Neuaufbau begonnen werden. Hier erhalten gerade die Holzfalten ihre Leinenbänder.

Hier wurden die fertigen Faltenparre auf die neuen Schöpfeplatten geleimt. Die alten Platten waren durch Verzug unbrauchbar geworden.

Im nächsten Schritt, wurden die Platten mit ihrem starken Kalbleder-Scharnier auf der Trägerplatte fixiert.

Zeitgleich ging es auch am Magazinbalg vorwärts.

Hier sieht man die neuen Zwickel am Magazin..

.. und an den Schöpfern.

Nach Abschluss der Lederarbeiten, wurden die Flächen gemäß dem Originalzustand mit blauem Spezialpapier beleimt.

Nun konnten Schöpfer und Magazin wieder zu einer Einheit zusammengefügt werden.

Da der Windkasten nun noch gut zugänglich war, wurde die überarbeitete "DE", sowei das restliche Gestänge (Expression + Grand Jeu) wieder eingesetzt.

Bei der Montage der Balganlage ist ein zweiter Mann hilfreich, es geht aber auch alleine, wenn es sein muss.

Ist der neue Balg im überarbeiteten Gehäuse, ist ein großer Teil der Arbeit schon geschafft. Das war zwar hier auch so, doch waren die "restlichen" Arbeiten umfangreicher als gedacht.

re: Die Register-ventile, sowie alle weiteren Einzelteile wurden gründlich gereinigt.

Los ging es mit dem Fundamentbrett und den Registerventilen.

Wie schon zu Beginn der Arbeiten festgestellt, war die Dichtwulst nicht zu retten.

re: So ging das Instrument in Wartestellung, da nun erst einmal die Lade überarbeitet werden musste.

Sämtliche Filze wurden ausgetauscht, lockere Ledermuttern erneuert.

Der Windkasten bekam eine neue Dichtwulst zum Fundamentbrett, welche in ihrer Stärke dem Original entsprach.

Hier ist noch alles beieinander. Leider fehlen alles Registerschildchen, bis auf drei Stück.

Nach dem Ausheben der Ventile offenbarte sich das ganze Ausmaß des Schadens.

Zungen und Percussion mussten erst einmal ausgebaut werden.

Nach vorsichtiger Gewaltanwendung, lies sich die Percussion von der Lade lösen.

Leider war auch der Zustand der Percussion alles andere als brauchbar.

Also musste auch hier alles zerlegt werden.

li: Sämtliche Mechanik-Durchführungen mussten neu ausgetucht werden.

re: Nachdem auch ettliche Achsungen erneuert und sämtliche Filz- und Ledetteile ausgetauscht waren, konnte mit dem Wiedereinbau begonnen werden.

Nach einer gründlichen Reinigung, wurden alle Stößel neu beledert.

Trotz des äußerlich schlimmen Zustandes, hatte die Lade nur leichte Schäden davongetragen. Nach der Reinigung und Reparatur, wurde sie vorsichtig abgerichtet und lackiert.

An der provisorisch eingebauten Lade, konnte nun die Stärke der neuen Dichtwulst ermittelt werden. Eine historisch korrekte, wenngleich nicht originale Variante, ist eine Leder-Dichtwulst mit Filzkern.

Diese bezahlbare Variante erfüllt ihren Zweck außerordentlich gut und ist kein Fremdkörper im fast 150 Jahre alten Instrument.

li: Mit dem Einbau der Percussion, war der Ladenrahmen wieder allseitig geschlossen.

Nachdem das Ultraschallbad ganze Arbeit geleistet hatte, kamen die Zungen wieder zurück an ihren Platz.

Nun war alles bereit für die Ventile.

re: Ventile einsetzen:

1. Ventil positionieren

2. Hebel einsetzen und mit Feder belasten

3. Bündchen leimen

Nach dem Aushärten des Leimes, bleibt das Ventil in der gewünschten Position.

Nur die Ventile waren noch nicht so weit. Der alte Belag war natürlich nicht zu retten und wurde gründlich entfernt. Hier bekamen die Ventilhebel gerade ihr neues Filzpolster.

Getreu dem Original, wurde der neue Belag aus Filz und Leder gefertigt.

li: Nach den Ventilen, folgte die Register-mechanik.

Fast geschafft!

Nun wurden auch die Ledermuttern der Percussion wieder aufgedreht und grob vorreguliert.

Um die Klaviatur wieder "bedienbar" zu machen, war zunächst der Einsatz grober Reinigungstechniken notwendig.

Unter der Klaviatur befand sich ein gefühltes Pfund Dekosand, welcher gepaart mit der klebrigen Flüssigkeit, sich als ein harter Gegner entpuppte.

Drei Eimer Wasser, ettliche Lappen und wunde Fingerspitzen später, war der Klaviaturrahmen wieder ansehnlich.

Die Registerblende durchlief das gleiche Reinigungsprogramm, allerdings zog ich diesmal Handschuhe an. Unter all dem klebrigen Schmutz, kam eine nahezu perfekte Schellackoberfläche zum Vorschein.

Hier nahmen die Klaviaturrahmen samt Registerblende schon einmal Maß.

Beide Klaviaturen erhielten neue Garnierungen am Führungsstift.

Zum ermitteln der Filzstärken, wurden ein paar Tasten zur Probe eingebaut. Hier kann man gut die Funktionsweise der Manualkoppel erkennen.

li: Einbau der Register- mechanik. Roter Filz für Register des I. Manuals, weißer Filz für das II. Manual.

Das gesamte Werk wurde noch auf dem Montagewagen komplettiert, da hier alles gut zugänglich ist.

Nach ein paar Justierungen an der Registermechanik, war das Instrument spielbereit.

li: Geschafft!!!

Erbauer: Ph.J. Trayser, Stuttgart, Bj. ca. 1868

System: Druckwind

Es war ein hartes Stück Arbeit, aber der edle Klang dieses Instrumentes entschädigt für alle Strapazen.

Klaviatur C - c'''', Teilung e'-f'

I. Manual

II. Manual

F Forte

S Sourdine

5 Voix humaine

4 Basson

3 Clairon

2 Bourdon

1 Cor anglais

P Percussion

Das Instrument verzückt mit seinen charakter-istischen Stimmen und einem wunderbar fülligen Ton. Die "Double Expression" ist beim Einsatz mehrerer Register eine äußerst wirkungsvolle und einfach zu bedienende (Forte-) Einrichtung.

E Expression

G Grand Jeu

M Manual-Coppel

F Double Expression

P Percussion

1 Flute

2 Clarinette

Leider gibt es auch einen Wermutstropfen. Die Stimmtonhöhe liegt bei über 450 Hz, was es für den Einsatz als Mietharmonium eher unbrauchbar macht. Die Reduzierung der Stimmtonhöhe auf 442 oder 443 Hz ist zwar machbar, jedoch geht dies mit einer leichten Veränderung im Klangbild einher.

Da momentan kein Notstand an Mietharmonien herrscht, wird die Stimmung vorerst belassen. Solange dient das Instrument der persönlichen Rekreation und erfreut mich jedesmal aufs Neue.

3 Flageolet

4 Hautbois

5 Voix celeste

T Tremblant

F Forte

Kniehebel li: Double Expression

Kniehebel re: Grand Jeu