Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Darmstadt, kleine Kirche am See:
Walcker-Orgel, Ludwigsburg/Murrhardt, Bj. 1965

Mitten im Sommer 2014 begannen die Arbeiten an dieser kleinen Walcker-Orgel in Darmstadt. Das Instrument war ziemlich verstimmt, hatte eine unangenehme Intonation und Teile des Prospektes drohten abzustürzen.

re: Die großen 4-Fuß-Pfeifen im Prospekt, steckten nur im Fußraster, welches aber eher instabil war. Die ersten sechs Pfeifen hatten sich schon geneigt und zeigten deutliche Beschädigun-gen am Fuß.

Die technische Anlage machte durch laute Klappergeräusche ebenfalls unangenehm auf sich aufmerksam.

li: Zum Glück konnten wir uns nahezu ungehindert in der Kirche ausbreiten, sodass einem sauberen Arbeiten nichts im Wege stand.

li: Nach den Prospektpfeifen, folgte der Ausbau des Innenlebens.

re: Die 60er lassen grüßen, mit Leerrohren aus dem Baumarkt, PVC-Schlauch aus der Aquarium-Abteilung und viel Mahagoni.

In montiertem Zustand, drücken die Federn die Schleifen sauber an die jeweilige Dichtfläche der Lade und des Stockes. Eine weitere Dichtung wie Filz oder Leder wird nicht benötigt.

Nein, hier haben keine Maden Gänge angelegt, diese Kanäle auf der Unterseite der Stöcke nennt man "spanische Reiter". Sie verhindern ein Heulen der Töne bei leichten Undichtigkeiten an der Schleife.

Die Schleifen haben hier eine besondere Konstruktion. Es ist genauer gesagt ein Schleifen-Paar, welches durch Federbälgchen miteinander verbunden ist.

Sperrholz soweit das Auge reicht! Vom Gehäuse über die Raster, der Windlade und dem Balg, bis hin zu den Holzpfeifen.

Azubi Eric hatte mal wieder den besten Platz für seine Arbeit. Die Metallpfeifen werden in warmem Seifenwasser gebadet.

Nach dem Bad, werden die Pfeifen ab 2'-Länge sauber auf Pfeifenbrettern gebettet.

re: Im Unterbau hatte eine ganze Mäuse-Kolonie ihre Spuren hinterlassen.

Noch ein Gruß aus den 60ern - Alu-Traktur.

Dann wurden sämtliche Trakturwippen ausgebaut, denn sie waren zum Großteil für "das große Klappern" verantwortlich.

Während Eric mit den Pfeifen beschäftigt war, kümmerte ich mich um die Innenreinigung.

Dieses Material (Viledon), was ursprünglich der Geräuschdämpfung diente, war nach nun fast 50 Jahren so hart und rau, dass es sogar die Stellringe abrieb.

Also mussten erst einmal alle Wippen von diesem Material befreit werden, wie hier die Umlenkwippen vom I. Manual.

Als Ersatz kam weicheres Rindsleder zum Einsatz, welches zusammen mit Tuchscheiben eine ordentliche Dämpfung gewährleistet.

Und noch ein Gruß aus den 60ern, Ventile aus Alu-T-Profilen und kleine Lederbälgchen als Pulpeten (Abzugsdichtung).

Hier sieht man nun die wieder eingebauten Umlenkwippen des I. Manuals mit neuer Ledergarnitur und Tuchscheibe auf dem Stellring.

Die gleiche Prozedur erfuhren die langen Trakturwippen des II. Manuals. Zusätzlich wurden hier noch Konterungen mit weichem Filz angebracht, um ein Überschalgen zu verhindern.

re: Die kleinste Pfeife im Prospekt hatte wohl mal Bekanntschaft mit der Anlegleiter gemacht.

Dann ging es an die Reparatur und Vorintonation der Pfeifen. Der Klang sollte deutlich weicher werden, daher setzte ich gleichmäßig Kernstiche und regulierte die Windmenge auch über das Fußloch. Beides war in den 60er-70ern verpönt, bis man erkannte, dass nicht der Intonationsstil ausschlaggebend war, sondern das Ergebnis.

Ein Blick auf den Pfeifen-Arbeitsplatz. Zur Intonation sei noch gesagt, dass kernstichlose Intonation auf offenem Fuß eine Kunst ist, welche nicht jeder beherrscht (beherrschte) und nicht zu jeder Orgel in jedem Raum passt.

li: Für die großen Prospektpfeifen wurde ein neues Körperraster angefertigt und montiert, die Pfeifen erhielten Haften und halten dann an stabilen Prospekt-stiften.

li: Vor dem Einhängen, stand nocht die Politur der Pfeifen an.

re: Sauber ausgerichtet und wie neu glänzend, so stehen die Pfeifen nun wieder richtig und stabil.

li: Zwei Manuale auf einer Lade, das führt oft zu Problemen bei der Aufstellung. Hier sieht man von re nach li das II. Manual mit 8-4-2-Q, und von li nach re das I. Manual mit 4(Prosp)-8-Mix.

li: Der Subbass steht frei hinter dem Gehäuse.

re: Nach zwei Wochen mit sehr langen Tagen, konnten die Arbeiten abgeschlossen werden. Das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. Die Mixtur ist nun verträglich, die teifen Register haben mehr Bass.

Erbauer: Walcker, Ludwigsburg/Murrhardt

Bj. 1965, Umsetzung verm. 1980

Disposition II. Man.:

Disposition I. Man.:

Gemshorn 8'

Gedeckt 8'

Rohrflöte 4'

Prinzipal 4'

Das Instrument klingt nun ausgewogen und passend für den Raum, in welchem es erst seit den 80ern steht.

Prinzipal 2'

Mixtur 2-3 fach 1'

Quinte 1 1/3'

Pedal:

Koppeln: II/I, I/P, II/P

Subbass 16'