Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Großschwindau:
F.B. Maerz-Orgel, München, Bj. 1890

Bei der ersten Besichtigung dieses Instrumentes bot sich ein desolates Bild. Holzwurm, miserable Pneumatik, Dreck, Instrument mit div. Umbauten, häufig Störungen.

Bei genauerer Betrachtung stellte sich jedoch eine durchaus solide Grundsubstanz des Münchner Orgelbauers F.B. Maerz heraus. Gehäuse, Metallpfeifen, Windladen und Balg waren in gutem Originalzustand. Lediglich die mechanische Traktur wurde in den 1950er Jahren durch eine Pneumatik ersetzt.

Der marode Zustand der gesamten Anlage machte eine Grundsatzentscheidung notwendig. Nach längeren Überlegungen wurde unserem Konzept zum Rückbau auf die alte mechanische Traktur im Frühsommer 2009 zugestimmt.

li: Hier ist der Abbau bereits in vollem Gange. Da der Spieltisch zwischen Orgel und Brüstung stand, musste dieser als Erstes die Empore verlassen. Sämtliche Hebearbeiten wurden mit dem hauseigenen Materiallift bewerkstelligt.

re: Neben dem Balg, war die in einem Stück gefertigte Manuallade das schwerste Stück. Auf diesem Bild kann man auf der rechten Seite das angebaute pneumatische Relais erkennen.

Nach gut 2 1/2 Tagen war von der Orgel nichts mehr zu sehen. Die komplette Demontage der Orgel war u.a. auch nötig, da die Emporenstatik überprüft und nachgebessert werden musste.

li: Die originalen Metallpfeifen von 1890 (bis auf den Prospekt), waren in einem guten Zustand. Offensichtlich hatte man das Pfeifenwerk beim Einbau der Pneumatik nicht, oder nur sehr wenig angerührt.

Nach einer intensiven Sichtungs- und Planungsphase, starteten die Arbeiten mit dem Zuschnitt des Materials für die neue mechanische Traktur. Neben Wellenbrettern und Trakurbegleitung, mussten vor allem Holzwellen und Kleinteile angefertigt werden.

Hier liegt bereits der fertige Rahmen des Manual-Wellenbrettes auf. Äußere Form und Größe konnten anhand von Spuren am Gehäuse ermittelt werden.

li: Die Höhe dieses Rahmens wurde von zwei noch vorhandenen Seitenteilen vorgegeben. Diese Originalteile wurden wieder in den neuen Rahmen integriert.

An der komplett zerlegten Kegelldade des Manuals, musste der Rahmen zur Aufnahme der liegenden Wellen rekonstruiert werden.

Hunderte von Wellenärmchen, Döckchen und Wippen wurden nach Originalmaßen aus bestem Weißbuchenholz hergestellt. Für diese Details wurden Mechanikteile mehrerer Maerz-Orgel vermessen.

Hier findet bereits der Einbau der Pedalkoppel in den völlig entkernten Spieltisch statt.

Auch die Anlage der Registerzüge wurde nach originalem Vorbild wieder hergestellt.

Der Junior-Chef bei der Kontrolle der Arbeitsfortschritte.

Ein Blick auf das fertige Koppelwellenbrett im Spieltisch.

Nachdem der Spieltisch fertig war, wurde er an das Untergehäuse angebaut. Nun konnten die Trakturbahnen zueinander ausgerichtet....

.... und die Wellenbretter (hier Manual) dementsprechend angefertigt bzw. fertiggestellt werden.

re: Für optimale Maß-hatigkeit der Trakuren, sorgt eine stabile Trakturbe-gleitung. An ihr sind die Winkelbalken befestigt. Im Bild sieht man von vorne die Winkelbalken von Spieltisch, Manual und Pedal.

re: Sämtliche Verschrau-bungen am Gehäuse und im Spieltisch wurden in den original Bohrungen von 1890 realisiert. So fand keine Verfälschung der Substanz statt.

Das durchbrochene Pedalwellenbrett drück auf der Rückseite die Pedaltraktur nach oben und hebt über Wippen die Kegel der Pedallade.

Nach der Herstellung der Mechanik, folgte die Sanierung des Balges. Der Schöpfbalg musste wegen gebrochener Scharnierungen neu bezogen werden.

Das Magazin wurde, wie im Original, mit Kalbleder bezogen. Nur die Balgecken sind aus weichem Schafleder.

Auf Wunsch des Denkmalschutzes, wurde die alte Papierung (Blaupapier) weitestgehend belassen.

Es folgte die Komplettierung der Manuallade. Hier wurden gerade die liegenden Wellen mit Ärmchen bestückt.

In die Registerkanzellen wurden die teils neu belederten Kegelventile eingesetzt.

Danach begann die Regulierung und der Einbau der liegenden Wellen.

li: Ein Blick auf den oben offenen Registerkanal. 7 Ventile für 6 Register? Die tiefe Oktave von Gedeckt und Salicional nutzt die gleichen Pfeifen. Diese stehen auf einer eigenen Kanzelle samt Ventil.

An den Registerventilen wurden die abgesägten Hebestangen wieder angelängt.

Auf der Unterseite der Lade reichen die Hebestangen bis zu den Wellen der Register-mechanik. Lange Ledermanschetten dichten die Schaltungen ab.

Nun waren die Arbeiten im Unterbau abgeschlossen.

Als Nächstes wurden die Metallpfeifen überarbeitet.

An den Pfeifen mussten Füße und Mündungen korrigiert, und Stimmrollen gerichtet werden. Dann wurden alle Pfeifen bis 2'-Länge ins Raster gestellt, deren Sitz überprüft und ausgerichtet.

li: Die letzte Aktion vor dem Abbau, war der Einbau neuer Prospektpfei-fen. Hier wurde im Zuge des Verfahrens auch der originale Labienverlauf (Fußhöhen) wieder hergestellt.

Dann kam Anfang Dezember die Lieferung. Am Ende des ersten Tages war es auf der Empore "etwas" unübersichtlich.

Nach dem Ausrichten des Gehäuses konnte der Spieltisch platziert und verschraubt werden.

re: Blick von hinten in den Unterbau. Von links: Manualwellen-brett / Balg / Pedallade. Darüber sieht man den neuen Rahmen der liegenden Wellen und die alte Kegellade.

Nun wurde die Mechanik eingehängt und grob vorreguliert (im Bild: Manualwellenbrett).

Hier erfolgt gerade der Einbau der Pedal-stecher.

re: Die Holzklötzchen auf dem Pedalstock stammen vom Austausch der Holzpfeifen in der 1980ern.

li: Hier blickt man von hinten in den geöffneten Spieltisch. Man kann gut die Abstrakten des Manuals und der Register-mechanik erkennen. Bei letzterem sieht man unten auch die Welle des Tutti-Trittes.

Auf die Kompettierung der Tontraktur, folgte eine erste Funktionskontrolle - alles bestens!

Nachdem auch die Registermechanik durchgängig war, schloss die Feinregulierung aller Trakturen die technischen Arbeiten ab.

li: Der Aufbau des Obergehäuses eröffnete die letzte Etappe dieses Projektes: Intonation und Stimmung.

Erbauer: Franz Borgias Maerz, München, Bj. 1890

System: mechanische Kegellade

Disposition:

Principal 8'

re: Nach rund 1300 Arbeitsstunden befindet sich dieses historische Werk wieder in sehr gutem Zustand. Technisch neu und klanglich frisch, erfreut es künftig Musiker und Zuhörer gleichermaßen.

Gedeckt 8'

Salicional 8'

Traversflöte 4'

Mixtur 2 2/3'

Subbass 16'

Pedalkoppel / "Tutti"-Tritt