Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Krumhermersdorf:
Th. Mannborg, Leipzig, Bj. 1906/07, Stil 30

Nach dem Lindholm, war dies das zweite Saugwind-Harmonium mit Expression in diesem Jahr. Es sollte komplett restauriert werden.

Das abgenommene Werk, gab den Blick auf die ersten Expressionsventile frei.

Die Balganlage gleicht -mit Ausnahme der seilichen Kanäle- einer herkömmlichen Saugwind-Konstruktion.

li: Hier warten die drei Komponenten Balg, Werk und Gehäuse (im Hintergrund) auf die Reinigung.

re: Die Reinigung war aufgrund einer hartnäckigen Schmutz-schicht etwas schweiß-treibend.

Azubi Eric machte sich als erstes an die Demontage der Balganlage. Hier sieht man den geöffneten Magazinbalg mit den Ventilen für die Expression, sowie dem Bälgchen für den "Begleitwind".

li: Nach einer gründlichen Reinigung, wurden Fehlstellen ergänzt und nachgebeitz. Dann wurden sämtliche Teile mit Schellack aufpoliert.

re: So bekamen auch die stark in Mitleidenschaft gezogenen Deckel wieder ihren ursprünglichen Farbton und Glanz.

Das Gehäuse wurde soweit wie möglich zerlegt, um die Oberflächen gut bearbeiten zu können.

re: Das "alte" Gehäuse sieht wieder aus wie "neu", ist aber noch nicht fertig.

Nun konnte mit der Montage begonnen werden. Die beiden schweren Seitenteile werden hauptsächlich von drei Querfriesen und der Fundamentplatte zusammengehalten.

Noch fehlen Einzelheiten, wie ein paar nicht mehr vorhandene Zierleisten und das Notenpult.

Als Vorlage für das Notenpult, diente eine vergößerte Abbildung des Instrumentes in einem Original-Katalog.

Das ganze Instrument wurde zeichnerisch erfasst. So war auch die Porportionierung des Notenpultes kein Problem.

Der entwickelte Entwurf, wurde 1 : 1 ausgedruckt.

re: Nach der Farb- und Oberflächen-Anpassung, konnten die noch fehlenden Teile angebaut werden.

Der Ausdruck wurde auf dem Rohling befestigt und die Konturen mit der Dekupiersäge nachgefahren.

Hier sieht man das fertige Notenpult und weitere nachgefertigte Fehlteile.

li: Nun ging es mit der Balganlage weiter. Im Bild sieht man die Trägerplatte mit abge-nommenen Ventilen (Magazin).

Als erstes wurden alle Balgplatten neu scharniert. Hierzu verwenden wir bei größeren Bälgen starkes Kalbleder.

Dann fogte das Aufleimen der neuen Fangventile. Die großen Öffnungen dienen dem "Normalbetrieb", die kleinen dem "Begleitwind".

Bis auf das zusätzliche "Begleitwindventil", sind die Schöpfer ganz normal.

Etwas trickreicher wird es im Magazinbalg. Im Bild li sieht man mittig drei Ventile, welchen den Magazinbalg von den Schöpfern trennen. Dies sind die eigentlichen Expressionsventile. Der kleine Balg ist mit der "Außenluft" verbunden und steuert über das kleine Ventil die Stärke des Begleitwindes.

Fertig!!!

1: Normal (keine Expression) 2: Expression

Der Einbau der Balganlage geschah auf herkömmliche Weise.

An diesem Instrument gibt es vier Windeinstellungen:

3: Expression im Bass, Begleitwind im Diskant

4: Expression im Diskant, Begleitwind im Bass

re: Die Steuerung der Ventile geschieht über den mittleren Kniehebel und diese geniale Schaltkulisse, welche den Hebel in drei Positionen rasten lässt.

Die Trennung des Windes in Bass und Diskant, geschieht ausschließlich im Fundamentbrett. Über die beiden mittleren Ventile (fehlen hier noch), gelangt der normale u. expressive Wind, über die seitlichen Ventile der Begleitwind zu den Tonventilen.

Gehäuse und Wind sind fertig, auf geht's zur nächsten Baustelle!

li: Nach dem Abnehmen der Klaviatur, sah das Werk ehrlich gesagt dramatisch aus. Mottenfraß an allen Ecken und Enden.

Vom Tuch an den Stecherringen, war teilweise nichts mehr vorhanden.

Auch die hier ausgetuchte Stecherführung, sah nicht besser aus.

Jede Menge Schmutz, undichte Mutzen, zerfressener Filz und vakante Dichtungen, so offenbarte sich der Zustand.

Auch die Zungen blieben vor dem Schmutz nicht verschont.

"Das Getier" hatte sich bis zu den Ventilen durchgefressen.

Zungenfilz mit verschärftem Schadendsbild.

Nach ca. 2 Stunden, waren alle Filze entfernt.

Die Lade sah nach der Reinigung schon wieder ganz propper aus. Nun konnte es mit den Reparaturen losgehen.

li: Azubi Eric beschäftigte sich mit der Reinigung der haufenweis vorhandenen Einzelteile.

Gleich zwei Kleinteilmagazine waren mit der Masse an Teilen überfordert.

Da auch Arbeiten am Ventilbrett notwendig waren, mussten auch die Ventilfedern weichen.

Auch im Ventilbrett waren die Stecher eigentlich in Tuch geführt.

Nachdem das Ventilbrett abgerichtet war, wurden sämtliche Stecherführungen neu ausgetucht.

Da die Ventile neu belegt wurden, war auch ein neuer Waagfilz notwendig.

Die Ventilträger wurden ebenfalls abgerichtet und erhielten einen neuen Belag aus Filz und Leder.

Beim Einsetzten der Ventile muss darauf geachtet werden, dass die Feder das Ventil nicht einseitig belastet.

Auch die zweite Ventilreihe wurde neu belegt.

Nachdem alle Ventile gesetzt und der Trennschied wieder montiert war, ging es auf der Oberseite weiter.

Hier erhielten die einzelnen Spiele neue Zungefilze, auch die Aeolsharfe im Bass.

Die Zungen durchliefen das Ulrtaschallbad und wurden zurück in ihre Kanzellen geschoben. Im Bild sieht man die Montage der ersten Mutzen.

Hier ist die Montage der Mutzen abgeschlossen.

Die Stecherringe erhilten neue Polster, die Führung wurde frisch ausgetucht.

Ventile, Zungen, Mutzen, Stecher - alles montiert.

Hier sieht man die Stecher im Bassbereich mit montierter Oktavkoppel. Die Doppelringe bedienen das Prolongement.

Sieht nicht nur neu aus, funktioniert auch so!

Nun konnte die seitliche Mechanik angebaut werden.

Unter dem Subbass, sitzen die Zungen des Fagott 16' in einem extra Stimmstock.

Hier ein Blick auf die Prolongement-Hebel. Da es eine Oktavkoppel gibt, kann nicht die Taste, sondern muss der Ventilstecher prolongiert werden.

An der Hinterseite des Klaviaturrahmens sitzt die Halteleiste des Prolongement.

Hier sieht man, wie das hintere Ende des Prolongement-Hebel in die Halteleiste eingreift und somit den Stecher in der unteren Position hält.

An der Klaviatur mussten die Führungen neu garniert werden.

Auch am Klaviaturrahmen wurden sämtliche Filze ausgetauscht. Hier bin ich gerade beim Einsetzen der Tasten.

li: Selbst-verständlich wurden auch hier die Ventile neu belegt.

Auch der Subbasskasten war eine Großbaustelle. Es galt zahlreiche Brüche zu verleimen und sämtliche Dichtungen zu ersetzen.

Der Klappmechanismus des Subbass ist zwar genial, aber auch notwendig (Zugang zum Prolongement) und trickreich.

Das Interieur musste aufpoliert werden.

Registerblende und Klaviaturbacken strahlten danach wieder um die Wette.

Danach wurden die Filzführungen der Registerzüge erneuert.

Da die Registermechanik keine weitere Arretierung hat, werden die gezogenen Register mithilfe dieser Federn in ihrer Position gehalten. Der kleine Zug in der Mitte bedient das Prolongement.

Nachdem auch die neu belegten Tritte montiert waren, war alles bereit für die Aufnahme des Werkes.

Dieser Kraftakt verlief ohne Zwischenfälle.

Hier ein Blick auf das Werk im Bassbereich, mit eingebautem Subbass - drangvolle Enge!

Nachdem der erste Funktionstest ein voller Erfolg war, wurde nun auch die Oktavkoppel reguliert.

Die Stimmung erfolgte in vorhandener Tonhöhe, 439 Hz.

Der bis zum f''' ausgebaute 2' stellt Hände, Augen und Nerven immer wieder vor eine Herausforderung.

Das Ergebnis dieser Restaurierung ist total überzeugend. Ein frischer, klarer und kraftvoller Klang wird von diesem Instrument hervorgebracht. Die Expression erlaubt eine weite Dynamik. Die Einrichtung Expression/Begleitwind (schwach) ist zwar kein vollwertiger Ersatz für eine Doppelexpression, dafür weitaus einfacher zu beidenen.

Erbauer: Theodor Mannborg, Leipzig/Borna

Disposition:

Baujahr: 1906/07

Bass:

Diksant:

System: Saugwind

Cornett Echo 2'

Piccolo 2'

Klaviatur: F - f'''

Fagott 16'

Clarinette 16'

Teilung: h-c'

Subbass 16'

Oboe 8'

Bourdon 8'

Flûte d'amour 8'

Aeolsharfe 2'

Vox jubilans 8'

rechte Klaviaturbacke: Expression

Viola dolce 4'

Oktavkoppel

Klaviaturabdeckung: Prolongement (Schaltung + Auslösung)

Principal 4'

Waldflöte 4'

Kniehebel li/re: Grand Jeu / Forte

Diapason 8'

Melodia 8'

Kniehebel Mitte (Position):

Echo 8'

Piano 8'

li = Expression Diskant + Begleitwind im Bass

Schalmei 8'

mittig = allgemeine Expression

Vibrator

re = Expression Bass + Begleitwind im Diskant