Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Eggenfelden:
Lindholm's "Normal-Kunst-Harmonium", Borna/Leipzig, Bj. ca. 1920

Hier wartete eine große Aufgabe. Lindholm's Saugwind-Kunstharmo-nium mit Doppelexpr., Prolonge-ment und Forte-Expressiv.

Leider waren nicht mehr alle "Features" vorhanden, aber das restliche Instrument stellet eine gute Basis dar.

Über die Jahre war viel Dreck ins Instrument gelangt. Die Balganlage wurde schon einmal geflickt, Filze, Leder und Balgtuch waren in keinem guten Zustand mehr.

re: Die alte und teilweise nachgearbei-tete Oberfläche wurde komplett abgenommen.

Aufgrund der maroden Balganlage, konnte die Doppelexpression im Vorfeld nicht getestet werden. So blieb deren Wirkungsgrad bis zum Schluss eine Überraschung.

Am Gehäuse wurde viel herumgebastelt und teilweise neu lackiert, wodurch eine uneinheitliche und unschöne Oberfläche entstand.

li: Viele, viele Stunden später war es dann geschafft. Das Gehäuse hatte eine neue Schellack-Oberfläche und begeisterte mit seinem tiefen Glanz und den schillernden Nussbaum-Farben.

Der Rohrzustand des Gehäuses, ließ auf ein gutes Ergebnis hoffen.

Von Begeisterung war der Rest des Instrumentes noch weit entfernt. Zunächst mussten wir uns um die Balganlage kümmern.

re: Azubi Eric mühte sich redlich mit der Entfer-nung der alten Bespannung. Im Bild werden gerade die Reste des hartnäckigen Leimes entfernt.

Eine Saugwind-Balganlage mit Expression gibt es nicht allzu oft. Da ist schon das Zerlegen immer spannend.

Die rohen und sauberen Holzplatten können für den Wiederaufbau verwendet werden.

re: Die beiden Fangventil-Reihen bekamen neue Lederklappen. Über die untere Reihe (li) zieht der Schöpfer den Wind aus dem Magazin, die obere Reihe (re) geht direkt in den Windkasten.

Hier wurden gerade die Schöpferplatten neu scharniert. Die beiden Fangventil-Lochreihen dienen einmal für expressives- und einmal für nicht-expressives Spiel.

Das wechselseitig verleimte Rindsleder, sorgt für hohe Stabilität und lange Lebensdauer des Scharnieres.

Schöpfer und Magazin an sich, sind gearbeitet wie herkömmliche Saugwindbälge. Der Unterschied liegt in den Fangventilen.

Fast fertig! Wie im Original, wurden die Kanten des Balgtuches mit Blaupapier überleimt.

Zum Schluss erhielten die Schöpfventile noch neue Lederklappen.

Mit neuen Scharnieren und frischer Bespannung, weichen und dichten Ventilen, steht einer guten Funktion nichts mehr im Wege.

Da die Balganlage für das Gehäuse maximal dimensioniert ist, war der Einbau nicht ganz einfach.

Obwohl der Balg das Gehäuse schon gut füllte, musste noch Platz für die Mechanik des Grand-Jeu und der Prolongement-Auslösung bleiben.

Nun konnte der erste Windkasten mit den Expressions-Ventilen aufgesetzt werden. Diese versperren den Zugang zum Magazinbalg, somit wird der Unterdruck unmittelbar über die Pedale beeinflusst.

Der Windkasten der Doppelexpression sitzt auf dem Windkasten mit den Expressions-Ventilen (Bild li). Bevor es jedoch soweit ist, muss noch einiges an Arbeit erledigt werden.

Leider war nicht nur das Tuch der Balganlage am Ende seiner Tage, auch die Bälgchen der Doppelexression zeigten deutliche Rissbildung.

Also wurde alles zerlegt, gereinigt, und die Bälgchen von der alten Bespannung befreit.

Beim Neubezug mit dünnem Balgtuch, wurden auch die Scharniere der Platten erneuert.

Hier ist alles schon wieder an seinem Platz.

Die Doppelexpression wird über die Kniehebel gesteuert und reguliert die Druckverhältnisse für Bass und Diskant unabhängig von einander.

Weiter ging es mit der Demontage des Werkes. Hier ein erster Blick unter den hinteren Forte-Kasten.

Was hier aussieht wie eine spanische Hotelburg, sind die zahlreichen Kanzellen der hinteren Spiele.

re: Wieviel Arbeit zwischen dem linken Bild und hier liegt, ist nur schwer vermittelbar. Schellack neu, Zungen gereinigt und Filze ersetzt.

Alle Filze wurden entfernt und der alte Schellack abgenommen.

Nun wurden die Ventile gereinigt und mit Talkum gepflegt.

re: Sieht nicht nur kompliziert aus, sondern ist es auch. Vor lauter Drähten, Umlenkungen, Wellen und Federn, war der Zugang zu einzelnen Mutzen (Register-klappen) nicht immer einfach.

Hier liegen Registermechanik, Ventile und Mutzen sauber aufgereiht und bereit zur Montage.

Nach dem Aufsetzen des Klaviaturrahmens, nahm das Werk schon mal optisch Maß. Bis es einziehen durfte, dauerte es noch etwas.

re: Die Leiste ist an der Unterseite des Klaviatur-rahmens befesteigt und wird mittels einer leichten Feder in Position gehalten.

Zwischen Tastenführung und Oktavkoppel, quetscht sich hier die frisch belederte Fängerleiste des Prolongement.

Zum Glück fanden sich zur Rekonstruktion der beiden fehlenden Hebel, die passenden Registerzüge im Ersatzteillager.

re: Die schwarzen Teile wurden ausgebessert und aufpoliert.

Hier sieht man den Hebel zur Aktivierung des "Forte-Expressiv-Diskant". Durch die Schwenkbewegung des Hebels, wird die Wippe bewegt und öffnet ein Ventil.

Jetzt endlich durfte das Werk zurück ins Gehäuse. Am Fortekasten wurden die Lamellen gangbar gemacht und neu beledert.

li: Nachdem die Ober-flächenarbeit abgeschlossen war, wurden die Filzführungen der Register-züge erneuert.

Ein erster Test verlief zur vollsten Zufriedenheit und zeigte aber auch, dass zwischen "funktioniert" und "funktioniert nicht" oft nur ein winziger Regulierungunterschied liegt.

Ein Blick auf die neu bepolsterten Kniehebel und die mit Federn (zur Fixierung der Hebel = eingeklappt) versehenen Deaktivierungen der Doppelexpression.

re: Nun löste sich die Spannung, denn ich konnte endlich den Klang, sowie die Funktion und Wirksam-keit der Doppel-expression testen.

Mit dem Einbau der Registerumlenkungen, löste sich das Drahtchaos in wohlgeordnete Verhältnisse auf.

Hier sieht man ein Bälgchen des Forte-Expressiv, nebst trickreicher Umlenkung zur Bedienung der Forte-Lamellen.

!!!! BEGEISTERUNG !!!!

li: Das kleine Bälgchen bedient nicht nur die hinteren, sondern auch die vordere Forteklappe. Der mech. Forte-Zug, kann zu jeder Zeit betätigt werden.

Noch ein Blick auf den hinteren Forte-Kasten, welcher seinen Dienst mit gezogenem "Forte-Expressiv" lautlos und äußerst effektiv verrichtet.

Die Einstellung der Dopelexpression war recht zeitaufwändig, verbesserte die Effektivität aber noch einmal merklich.

Die Stimmung und Nachintonation, war aufgrund des tielweise behinderten Zugangs etwas schwierig.

Ein gutes Beispiel sind hier die Subbass-Zungen, welche tief im Intrument, knapp unter dem Klavaiturrahmen sitzen.

Zum Schluss fehlte noch ein passender Hocker. Unser "Modell 1" bot sich hier an.

Erbauer: Lindholm, Borna/Leipzig, um 1920

Modell: Normal-Kunst-Harmonium

System: Saugwind

Klaviatur: F - f''', Teilung h/c'

Disposition:

Bass-Forte

2 Bourdon 16'

7 Subbass 16'

6 Cornett-Echo 2'

6 Aeolsharfe 2'

3p Viola dolce 4'

3 Viola 4'

1 Diapason 8'

Nach langer und sehr spannender Arbeit, kam dieses Projekt zu einem sehr überzeugenden Ergebnis. Der Klang ist weich und ausgewogen und verrät die Bestimmung des Instrumentes als Zimmer- bzw. Salon-Harmonium. Die Doppel-Expression ist sehr wirkungsvoll und erlaubt zusammen mit dem Forte-Expressiv ein besseres ppp, als bei manchem Druckwind-Harmonium.

1p Horn-Echo 8'

Expression

V Vox humana

1p Flauto dolce 8'

1 Melodia 8'

3 Flûte 4'

OK Oktavkoppel

5 Vox coelestis 8'

4 Oboe 8'

4 Schalmei 8'

2 Clarionet 16'

2 Vox jubilans 16'

Diskant-Forte

Backenregister:

Prolongement

Forte-Expressiv-Bass

Forte-Expressiv-Diskant

2 Kniehebel für Doppelexpression

Hackenhebel für "Auslösung Prolongement"

Hackenhebel für "Grand Jeu"