Orgel- und
Harmoniumwerkstatt
Thomas Reilich
Wörth (Erding):
Kerssenbrock-Orgel, München-Grünwald, Bj. 1984

So sah es aus, als wir uns auf den Weg machten, zu unserer bislang aufwändigsten Reinigung.

Der schlechten Zustand der 20-Register-Orgel von 1984, machte eine Überarbeitung dringend notwendig. Da der Platz auf der Empore für die Reinigung bei weitem nicht ausreichend war, mussten sämtliche Teile mit einer Hebebühne nach unten gebracht werden. Für den Zugang zum Oberwerk, war ein hohes Gerüst notwendig, welches bis unter die Kirchendecke reichte. Nicht nur der Spieltisch bot ein Bild des Jammers, auch die Pfeifen, die Windversorgung, die Technik...

re: Eigentlich hätte die Orgel kein Problem mit Holzwürmern, aber die Rasterfüße aus LINDE waren doch wohl zu verlockend für den Käfer.

Dieser kleine Balg wird vom Motor im Turm gespeist und dient lediglich als Stoßfänger. Der Winddruck wird allein durch Ladenbälge reguliert.

Die etwas fragwürdige Aufstellung der Pfeifen, gipfelt in zwei liegenden Zinnpfeifen des Oktavbass 8' (C, Cs).

li: Ein Blick ins Hauptwerk. Unerreichbar weit oben, stehen ein paar Pfeifen des Prinzipal 4' vom Oberwerk.

Ebesno unerreichbar, das komplette Oberwerk. Würde man mit einer langen Leiter einen Standort und einen Anlegpunkt finden, müsste man eine ca. 1m² große Platte ausbauen, um ans Pfeifenwerk zu gelangen.

Der Käfer fand auch den Weg bis ins Oberwerk. Hier sieht man noch die letzten Pfeifen des Gedeckt 8', ganz hinten, ganz unten. Sogar auf unserem Gerüst stehend, hatte ich Mühe, die Pfeifen zu erreichen.

re: An einigen der Stöcke, mussten Dichtungs-ringe aus Liegelind ersetzt werden.

Die größte Pfeife steht eigentlich immer im Prospekt, hier sitzt sie mal im Oberwerk, beim Ausbau der Stöcke.

Sicher eine seltene Perspektive! Blick aus dem Oberwerk (ca. 11m Höhe), über das Gerüst, hinunter in den Kirchenraum.

li: Hier ein Blick in das Trakturpoduim. Ein echtes Lehrstück, wie man es NICHT machen sollte. Unzureichende Führungen und keine maßhaltigen Verbindungen. Wellen-bretter und Registerme-chanik sind lediglich auf dem Holzboden verschraubt.

re: Nach dem Ausbau der Pfeifen, wurden die Gehäuseteile gründlich gereinigt und mit "Holzwurm-tod" behandelt.

re: Noch ein Kapitel zum Thema "unerreichbar" - der Subbass. Aber auch der Rest des Pedalwerkes ist eher "wartungsfeindlich".

li: Der Ausbau der Prinzipalpfeifen vom Oberwerk, war auch mit ausgebautem Hauptwerk und Leiter ein Balanceakt.

re: Hier sind die Stöcke des Hauptwerkes schon sauber und wieder eingebaut. Obwohl die Lade ausreichend Platz bot, wurden auch hier wahllos Pfeifen abgeführt.

Hier liegt das Wellenbrett des I. Manuals. Die Trakturwelle wird vom Spieltisch gezogen und drückt dann über einen Stecher auf den Winkelbalken unter der Lade. Auch aufgrund der schlechten handwerklichen Ausführung, muss man sagen: "Suboptimaler geht es kaum!"

re: Ein Platz an der Sonne! Azubi Eric beim Zerlegen der Zungen-pfeifen.

Ein Blick von der Treppe auf unser Pfeifenlager.

Dank des guten Wetters, konnte Eric die Waschaktion im Freien durchführen.

Nun ging es an die Überarbeitung. Begonnen wurde mit der Reparatur der Bälge (hier der Stoßfänger nach dem Motor).

Die Ladenbälge von HW und OW hatten wir schon 2008 neu gemacht, aber nun war auch der des Pedals fällig (ganz li).

Eine Reparatur des Stoßfängers war nicht möglich. Eine gute Gelegenheit für Eric, das "Balgmachen" zu erlernen.

re: Nach der Wartung der Drosseln, konnten die Ladenbälge wieder eingesetzt werden. Der Schlauch aus der Wand führt vom Motor zum Stoßfänger. Von hier wird der Wind zu den Laden geführt (hier Pedal).

SO muss ein Balg aussehen, dann ist er auch die nächsten Jahrzehnte dicht. Die Halterung der Federn ist zwar etwas fragwürdig, jedoch funktional (nicht von uns!).

Auch das HW wird über einen langen Schlauch mit Wind versorgt.

li: Auch am Spieltisch gab es einiges zu tun. Neben der gründlichen Reinigung, stand vorallem eine saubere Regulierung der Traktur auf dem Plan.

li: Die Regulierung wurde aber durch das Fehlen von Regulier-möglichkeiten bislang erheblich erschwert.

Wo möglich, wurden nun Stellringe mit Feinregulierung eingebaut, um zumindest die Manual- und Pedalkoppeln exakt justieren zu können.

Zahlreiche Tasten mussten ausgebaut und in der Werkstatt repariert werden. Die Tastenbeläge waren teilweise sehr schlecht verklebt.

Nach fast einer Woche Arbeit, war der Spieltisch dann wieder einsatzbereit.

Für das Wohlbefinden an kalten Tagen, sorgen nun zwei neue Wärmeplatten.

li: Ein häufiger Mangel an dieser Orgel, war das Hängen-bleiben einzelner Töne, was durch das Verkanten der Stecher in den Wellenärm-chen hervor-gerufen wurde.

Zuerst wurden am Winkelbalken die teilweise durchrutschenden Ledermuttern, durch Stellringe mit Feinregulierung ersetzt (linkes Bild, oben li). Die Stecher hatten bislang KEINE "Befestigung", waren also lediglich zwischen Ärmchen und Winkel "geklemmt". Nun wurden die Filze erneuert und jeder Stecher bekam an jedem Ende ein Konterung mit weichem Filz. Diese Maßnahme führte sofort zu einer deutlichen Verbesserung des Spielgefühls und zu einer erheblichen Greäuschminderung in der Trakur.

li: Azubi Eric war derweil eifrig mit den Pfeifen beschäftigt. Hier liegt der frisch gereinigte Subbass zum Einbau bereit.

Auch die Reinigung der Metallpfeifen machte Vortschritte, und so füllte sich die erste Empore Stück für Stück.

li: Mittlerweile waren die Bankreihen wieder frei, sodass nur noch unsere Hebebühne den "Normal-betrieb" behinderte.

Für die Begleitung der Gottesdienste, stellten wir zwischenzeitlich unser "Burger, Leipzig"-Harmonium zur Verfügung.

Doch wir waren noch lange nicht fertig, denn nun stand die Überarbeitung der Metallpfeifen an.

li: Hier einer von vielen Füßen der Prospekt-pfeifen. Mit Zange, Hammer und Messing-Glocke, konnten die Füße wieder in Form gebracht werden.

Auch die Stimmrollen waren in einem eher jämmerlichen Zustand, was aufgrund der schlechten Zugänglichkeit jedoch nicht verwundert.

Cimbel, Terzian und Mixtur, die kleinen Pfeifen wollten schier kein Ende nehmen.

Hier liegen die Zungenblätter des Fagott 16'. Rechts vor, links nach der Reinigung im Ulraschallbad.

Neben dem Beheben von Schäden, wurden alle Pfeifen im Anblasverfahren vorintoniert.

Die fertigen Register wurden im Turm, gleich neben der Orgel gelagert.

re: Die Platz-verhältnisse sind zwar eng, aber die Motorwartung ist gut möglich. Außerdem ist die Motorkiste gut zerlegbar und der Motor kann mittels Stecker einfach ausgebaut werden.

Aufgrund meiner Empfehlung, wurde nun auch ein neuer Motor angeschafft, welcher das Gebläse im Turm ersetzen sollte. Hier sind wir gerade beim Bau der Motorkiste.

Der alte Motor hatte nicht nur ein hohes Anlaufgeräusch, er stand auch im kalten Turm, was für die Stimmhaltung ungünstig war.

li: Nun begann der Einbau der Pfeifen mit dem Subbass im Pedal.

re: Da wir hier nun schon zugange waren, wurden auch die restlichen Register eingebaut, ausgleichend intoniert und vorgestimmt.

Aufgrund der guten Erfahrungen im Hauptwerk, wurden nun auch in der Pedaltraktur Konterungen nachgerüstet.

li: Während ich mit dem Einbau der Register beschäftigt war, machte sich Eric an die Politur der Prospekt-pfeifen.

li: Die ersten Register des HW waren Holzflöte 8' und Salicional 8'.

re: Der hörbare Erfolg, lies die Arbeiten gut voran gehen. Hier ein Blick in das fast fertig HW.

li: Ein letzter Blick in das saubere, frisch intonierte und gestimmte Oberwerk.

Dann wurde die Frontplatte wieder verschraubt. Eine spätere Stimung ist ohne Gerüst leider unmöglich.

Das Oberwerk hielt ein paar "Sorgenkinder" bereit, doch die wollen eigentlich nur eines - Aufmerksamkeit!

Dann war es soweit! Die Arbeiten an dieser Orgel waren abgeschlossen und haben zu einem großen Erfolg geführt. Seit der Fertigstellung im Juni 2013, hatten wir EINEN leichten Spannungsheuler (Stand 05/2015). Die Stimmung hat sich dank der Umstellung des Motors gut gehalten und die Intonation ist mit dem "Urzustand" nicht vergleichbar. Gemeinde, Sachverständiger, Musiker und Kirchenchor, waren anlässlich des Festgottesdienstes, voll des Lobes.

Für uns war die Überarbeitung dieser Orgel aufgrund der sehr schlechten Substanz ein heißes Eisen, da der Erfolg mit vielen Fragezeichen versehen war. Aber wir konnten wirklich ein sehr schönes Ergebnis erzielen. Die Gemeinde hat nun für viele Jahre wieder ein einsatzfähiges Instrument, weiß aber auch, dass in ein paar Jahrzehnten ein Neubau unumgänglich ist.

Erbauer: Hubertus v. Kerssenbrock, Grünwald, Bj. 1984

System: Schleiflade, mechanische Ton- u. Registertraktur, OW = el. Tontrakur

Disposition:

Hauptwerk, I. Man.

Oberwerk, II. Man.

Pedal

Prinzipal 8'

Gedeckt 8'

Subbass 16'

Holzflöte 8'

Prinzipal 4'

Oktave 8'

Salicional 8'

Spitzflöte 4'

Pommer 8'

Koppelflöte 4'

Prinzipal 2'

Choralbass 4' 2f. (+2')

Oktave 4'

Terzian 1 1/3' 2f.

Fagott 16'

Quinte 2 2/3'

Cimbel 1' 3f.

Blockflöte 2'

Oboe 8'

Mixtur 1 1/3' 3f.

Tremolo